Das Material ist vergleichbar mit elektronischem Papier, lässt sich knicken und rollen. In gefaltetem Zustand ist es nicht größer als ein Streifen Kaugummi. Ausgerollt verfügt es über ein DIN A4 großes Display mit 16,9 Millionen Farben, das als Touchscreen fungiert und das Abspielen der neuesten Kinofilme ermöglicht. Die Spiele, die darauf laufen, werden über den eingebauten Bewegungssensor per Handwinken gesteuert. Die benötigte Energie bezieht das Gerät nicht aus Akkus, sondern aus Solarzellen. Und neben Klingeltönen verfügt es über den Shape-Shifting-Alarm: Bei Anruf faltet sich das Handy im Origami-Stil in selbstverständlich vorab einstellbare Formen.

So sieht es also aus, das Handy der Zukunft - zumindest in der Fantasie der freenet.de-Redaktion, die sich so das Mobiltelefondesign im Jahr 2023 ausmalt. Ganz so spektakulär wird zumindest die nähere Handyzukunft nicht ausfallen. Ein paar Neuerungen aber kommen in der Mobilkommunikation doch auf die Usergeneration zu. Und zwar nicht nur, was die Geräte betrifft. In drei, vier Jahren, meint etwa Ian Pearson, Zukunftsforscher am britischen Forschungslabor BTexact Technologies, werden Handys und Organizer über symbiotische Netze miteinander kommunizieren können. "Beide Geräte können per Funk miteinander sprechen, jedes dient dem andern als Sende- und Empfangsstation, über die etwa E-Mails kostenlos verschickt werden können." Die Industrie arbeitet bereits an Techniken und Geräten, die nicht nur in den Mobilfunknetzen, sondern auch über Wireless LANs und IP-Netze funktionieren.

Weiterhin ungebrochen ist der Trend zum All-in-one. Handy und Organizer verschmelzen zu Multifunktionsgeräten. Das amerikanische Marktforschungsunternehmen IDC prophezeit, dass die mobilen Allrounder die klassischen PDAs über kurz oder lang vollständig ablösen werden. Die Handy- und Handheldhersteller wollen noch vor Ende des Jahres mit einer ganzen Palette von Geräten auf den Markt kommen, mit denen man kommunizieren und Daten verwalten oder fotografieren und Musik hören kann. Nach Meinung von Hermann Maurer vom Joanneum Research und Know Center an der Technischen Universität Graz wird die Verschmelzung sogar noch viel weiter gehen. Handy, Computer, Kamera, Mikrofon, Lautsprecher und Sensoren werden auf Scheckkartengröße untergebracht sein und mit Navigations-, Zahlungs- und anderen Systemen kommunizieren können. Visuelle Informationen werden auf die Retina des Auges gespiegelt - über eine Brille, in deren Bügeln auch Lautsprecher sitzen und mit der die Scheckkarten-PCs drahtlos kommunizieren.

Das ist freilich noch Zukunftsmusik. Viel näher an der Umsetzung sind in die Kleidung oder Accessoires integrierte Handys. Sie werden zum Beispiel in Armbanduhren oder Schmuck integriert sein, meint Nicholas Negroponte. Der Technologievisionär und Professor am Media Lab des Massachusetts Institute of Technology kann sich etwa vorstellen, dass die gesamte Technik in den Absatz eines Schuhs eingearbeitet wird, der durch die beim Gehen erzeugte Energie den Akku auflädt. Auch das deutsche Klaus-Steilmann-Institut verbindet Kommunikationstechnologie und Kleidung zu Hightech-Fashion und hat bereits einen Handy-Jacken-Prototyp entwickelt: Im Schnitt des "Communication Jacket" sind Mobiltelefon, GPS-System (Global Positioning System) und PDA eingearbeitet. Mehr und mehr werden die Handys auch zum persönlichen mobilen Helfer mutieren und Funktionen des täglichen Lebens übernehmen. Schon heute können Handybesitzer per SMS ihren "mobilen Fahrschein" für die Wiener Linien, Konzertkarten, Lottoschein oder Artikel aus dem Sortiment des Versandhauses Quelle kaufen. Ab Oktober soll in Wien auch der Parkscheinkauf via Mobiltelefon möglich sein, der derzeit im Probebetrieb läuft. Dank UMTS werden die Mobiltelefone bald verbesserte Anwendungsmöglichkeiten bei Verkehrsleit- oder Navigationssystemen bieten oder durch die Möglichkeit der Fernsteuerung von Haustechnologien wie Alarmanlage, Heizung oder Jalousien mehr Komfort ins Leben bringen.

Und was erwarten die Nutzer von der Mobiltelefon-Wunderwelt? In ihren Vorstellungen vom Handy der Zukunft spielen Aufsehen erregende Innovationen wie faltbare Geräte in Kaugummigröße eine eher vernachlässigbare Rolle, wie eine Anfang des Jahres durchgeführte Befragung im Rahmen des M-Business-Monitors ergab. Platz eins belegt mit 37,5 Prozent der Nennungen ein recht profaner Nutzerwunsch: "Viel längere Standby-Zeit." (Michaela Streimelweger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 9. 2003)