"Wir wollen im Privatkundengeschäft die Nummer eins werden."

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DER STANDARD: Die Intentionen der Bawag-Eigentümer sind zur Zeit nicht gerade sehr harmonisch. Minderheitsaktionär Bayerische Landesbank (BLB) will die Bawag-Mehrheit und droht sonst mit dem Ausstieg bis Ende 2004. Der Chef der Privatangestellten-Gewerkschaft, Hans Sallmutter, sagte vor einiger Zeit, der ÖGB müsse aufpassen, nicht den günstigsten Ausstiegszeitpunkt zu versäumen. Ex-Bawag-Chef und Bawag-Stiftungsmitglied Helmut Elsner meinte, die Gewerkschaft werde die Anteile der Bayern übernehmen, ÖGB-Vizepräsident und Bawag-Aufsichtsratschef Günter Weninger konterte, dies komme nicht infrage, das mache strategisch keinen Sinn. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Zwettler: Das ist die Sache der Aktionäre. Unser Aufsichtsratspräsident Günter Weninger hat klipp und klar gesagt: Die Gewerkschaft steht zu dieser Beteiligung, die Bawag wird nicht verkauft.Wir haben Kooperationsvereinbarungen mit der Bayerischen Landesbank, die wir leben wollen. Und die Partnerschaft hat sich zum Wohle beider entwickelt, das kann ich durchaus sagen. Es macht keinen Sinn, wenn der ÖGB 100 Prozent an der Bawag hält. Sinn macht heute nur ein strategischer Partner. Wir können sehr viel einbringen. Und man muss auch einmal sagen: Die Bayern wollen prinzipiell ja nicht verkaufen, sie würden halt nur sehr gerne unsere Gewinne in ihre Bilanz konsolidieren.

STANDARD: Ihr Partner Bayerische Landesbank sieht die Lage offensichtlich etwas weniger positiv. Vorstandschef Werner Schmidt hat im Juli gesagt, er betrachte die Bawag zurzeit als Finanzinvestition und weniger als strategischen Partner. Sind Sie mit der Partnerschaft völlig zufrieden? Was hat die Bayerische Landesbank der Bawag bisher gebracht?

Zwettler: Wir haben unsere Oststrategie neu geordnet. In Ungarn hat die BLB in der MKB - einer der führenden Banken - die Führerschaft, sie hat 88 Prozent, und wir zwölf - dies deshalb, weil dort die gesamte Produktpalette angeboten wird. Dort, wo hingegen das Privatkundengeschäft dominiert, etwa in der Slowakei und in Tschechien, dort hat die Bawag 100 Prozent. Ausbaufähig ist die Partnerschaft mit dem Aktionär der BLB, den bayrischen Sparkassen. Da gibt es gute Ansätze, aber alles ist verbesserungsfähig.

STANDARD: Welche Ansätze verfolgen Sie?

Zwettler: Die bayerischen Sparkassen haben in Bayern einen Marktanteil von über 60 Prozent. Ein gewaltiger Machtfaktor in der Kreditwirtschaft. Und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Bayern und Österreich sind ja intensiv. Ein weites Feld für Zusammenarbeit. Ich bin überzeugt, dass die Partnerschaft hält.

STANDARD: Welche Ziele verfolgt die Bawag/P.S.K.-Gruppe in Österreich?

Zwettler: Wir wollen im Privatkundengeschäft die Nummer eins werden.

STANDARD: Wo stehen Sie zurzeit?

Zwettler: Wir haben 1,2 Millionen Girokonten. Das ist ein Marktanteil - wenn Sie etwa alle wahlberechtigten Österreicher als Maßstab nehmen - von rund 20 Prozent. Bei den Spareinlagen haben wir einen Marktanteil von 13 Prozent. In manchen Kunden- und Produktsegmenten liegen wir nur bei sechs bis zehn Prozent. Das zeigt, dass hier Potenzial drinnen ist. Wenngleich man alle Raiffeisenkassen zusammenzählt - die sind allerdings kein Konzern -, dann haben die einen Kundenmarktanteil von über 45 Prozent. Es wäre vermessen zu sagen, wir wollen dort hinkommen. Aber die intensive Zusammenarbeit mit der P.S.K. und den Postämtern läuft ja erst zwei Jahre. Obwohl die möglichen Bankstellen von 2300 auf 1600 reduziert wurde, haben wir Marktanteile gewonnen. Entscheidend ist nun, dass durch unser neues Computersystem Alegro - es kostet 180 Millionen Euro - es bald überall in Österreich möglich sein wird, Bawag- und P.S.K.-Kunden das volle Service anbieten zu können. Dazu kommt die mobile Betreuung durch 5000 Betriebsräte. Das gibt uns großes Potenzial.

STANDARD: Um wie viel wollen Sie mittelfristig wachsen?

Zwettler: 50 Prozent in den nächsten fünf Jahren sind schon möglich, und damit wären wir im Privatkundensektor das größte Institut - Raiffeisen und Sparkassen sind ja keine einheitlichen Konzerne.

STANDARD: Ihr Wachstum wird dann voraussichtlich aber eher in den ländlichen Gebieten stattfinden?

Zwettler: Zu etwa zwei Drittel. Es gibt aber auch sehr viele interessante mittlere Städte, Bezirksstädte etwa. In Horn gibt es beispielsweise noch keine Bawag, aber ein Finanzberatungszentrum bei der Post. In diesen österreichweit 250 Zentren wird die volle Bandbreite unsrer Dienstleistungen angeboten, vergleichbar mit einer kleinen Bankfiliale. Zusammen mit unseren Filialen und den 450 Postfilialen mit Spezialverkäufern ergibt das rund 900 Bankstellen, die zentral gesteuert werden.

STANDARD: Österreich gilt als "overbanked", Girokonten gelten bei allen Instituten als Verlustbringer. Wie ist die allgemeine Situation nach den Großfusionen Z/Länderbank zu Bank Austria, Bank Austria mit Creditanstalt, Erste/GiroCredit, Bawag/P.S.K.?

Zwettler: Es ist nach wie vor ein beinharter Kampf. Wenn man wissen will, wie hart ein Bankmarkt umkämpft sein kann, muss man nur nach Österreich schauen. Das sollte sich auch in Brüssel herumsprechen, wo gerade ein Kartellverfahren läuft. In Österreich hat man gelernt, auch mit geringen Margen doch ganz gute Ergebnisse zu erzielen. Man braucht nur die Kennzahlen von Österreich und Deutschland zu vergleichen. Der Clou an der P.S.K-Übernahme war ja, einen Vertrieb ohne eigene Filialen zu bekommen. Wir nutzen das Postnetz, die Mitarbeiter arbeiten auf Provisionsbasis.

STANDARD: Unter dem Strich haben die Fusionen also kaum etwas gebracht?

Zwettler: Während früher 20 Forellen im Teich gekämpft haben, gibt es jetzt fünf Hechte. Alle sind größer geworden, der Kampf ist professioneller geworden. Aber umkämpft ist der Markt noch genauso.

STANDARD: Was verlieren Sie bei den Girokonten pro Jahr?

Zwettler: Von den 300 Millionen Euro, die die Branche draufzahlt, entfallen auf uns zehn bis 15 Prozent, also über 30 Millionen pro Jahr. Durch die neuen Vorschriften der EU für Auslandsüberweisungen verschlimmert sich die Situation noch. Wir gehen jetzt den Weg, den Zahlungsverkehr gemeinsam mit der Erste Bank auszulagern und so Kosten zu sparen. Vielleicht kommen noch andere Institute wie Raiffeisen, die Sparkassen oder die Drei-Banken-Gruppe dazu.

STANDARD: Die Marke P.S.K. bleibt auch weiterhin? Kolportiert wird der Wunsch der Bayern nach einer vollständigen Fusion.

Zwettler: Die P.S.K. ist eine gute Marke. Es gibt keinen Grund für eine Veränderung. Und die Bayern mischen sich in das Retailgeschäft nicht ein.

STANDARD: Ihre Beteiligungsstrategie mutet geheimnisvoll an: Ein Klavier- und Flügelerzeuger, eine Schuhhandelskette, ein bulgarisches Telekommunikationsunternehmen, zwei Fernsehsender. Was verbindet diese Engagements?

Zwettler: Bösendorfer läuft unter Kultursponsoring. Ein Traditionsunternehmen, das sonst ans Ausland gegangen wäre, konnte in Österreich gehalten werden. Bei Stiefelkönig entspricht das der Tradition des Hauses, hier einer Firma, die einen Marktanteil von über 15 Prozent und eigentlich ein großes Potenzial hat, unter die Arme zu greifen. Immerhin geht es um 1400 Mitarbeiter. Und diese Tradition der Bawag war schon oft erfolgreich; Atomic, Economos, Hartlauer. Man muss sich nur hineinknien.

Unseren kleinen Anteil an Premiere haben wir durch einen Kredit geerbt. Beim Sender ATV war der Grund für die Beteiligung unser Engagement in elektronische Medien, wie wir es ja auch mit der erfolgreichen Onlinetochter Easybank demonstrieren. Wir wollen keinen Medienkonzern aufbauen, aber wir berücksichtigen Zukunftstechnologien, die für Banken interessant werden. Und Mobiltel in Rumänien ist ein Finanzengagement. Wir waren ja auch einmal an Max.mobil beteiligt.

STANDARD: Wie läuft die Easybank?

Zwettler : Sehr erfolgreich. Wir haben bereits über 100.000 Kunden und verdienen damit auch Geld. (Michael Moravec, DER STANDARD Print-Ausgabe, 29.9.2003)