Für Ross und Reiter gilt: Zu einem interessanten Sieger gehört neben Talent vor allem Haltung und Charakter. Tobey Maguire in "Seabiscuit" von Gary Ross

Foto: Dreamworks
Eine der erfreulichsten US-Studioproduktionen der letzten Monate kommt jetzt auch bei uns ins Kino: Seabiscuit von Gary Ross gilt in den USA bereits als relativ sicherer Anwärter für mehrere Oscar-Nominierungen.


Wien - Wenn Filmhistoriker dereinst das Oeuvre des noch jungen US-Studios DreamWorks beschreiben, dann kommen sie wohl kaum um ein sehr prägnantes Welt-, Amerika- und Erfolgsbild herum - formuliert von Tycoons wie Steven Spielberg, David Geffen und Jeffrey Katzenberg, die einerseits natürlich gerne zugeben, dass Erfolg eine schöne, ehrenwerte Sache ist.

Andererseits: Der gute alte Pioniergeist - no risk, no fun! -, er will aufrechterhalten werden. Daher: Abseits von den ausgetretenen Studiopfaden bleiben! Gleichzeitig: Wiederbelebung dessen, was früher großes Studiokino in einer Art hochkontrollierter Kreativität, einem unschuldig sich gebärdenden Überschwang ausgemacht hat.

Filme wie American Beauty repräsentieren in dieser Mischung aus Innovation und "zurück zu den Wurzeln" den analytischen Teil des DreamWorks-Angebots. Die jüngste Produktion, Seabiscuit, die man jetzt schon getrost in den engeren Favoritenkreis für einen oder mehrere Oscars aufnehmen darf, führt nun die Freude am unabhängigen Unternehmertum in etwas schablonenhaftere Erzählmuster - was den Genuss für ein breiteres Publikum nur erhöht. Denn was geboten wird, ist nicht mehr und nicht weniger als klassisches Genrekino:

Ewige Träumer

Ein Sportfilm, in dem die Helden natürlich irgendwann einmal als Erste die Ziellinie überqueren müssen - aber was in so vorhersehbaren Erzählungen zählt, ist ja eher die Lust an der Variation und das Vermögen, auch komplexere Reflexionen in schlichteren Konstellationen zu erzeugen. Als da wären: ein sensibler, hitziger Jockey (Tobey Maguire), ein mindestens ebenso stures Pferd, ein Kaufmann mit einem Hang zur Träumerei (Jeff Bridges) und ein ziemlich unkonventioneller Trainer (Chris Cooper).

Rund um dieses Quartett versammelt Seabiscuit Elemente der urbanen Arbeitersaga ebenso wie die US-obligaten Träume endloser Weite und Freiheit. Der klassische Bildungs- und Entwicklungsroman wird ebenso zitiert wie die reißerische Kolportage von Zeitungsschlagzeilen. Wo das Drehbuch (Koautor war der Regisseur Gary Ross) Vielschichtigkeit anstrebt, unterstützt die kompakte Performance von Stars wieder den linearen Plot.

Und wie! Das Schönste an Seabiscuit ist vermutlich das extrabreite, euphorische, etwas windige, aber zugleich zutiefst beruhigende Lächeln von Jeff Bridges. So ein Lächeln durfte er zuletzt vor fast 20 Jahren aufsetzen, in Francis Ford Coppolas Tucker - auch dort ging es, kurz nach Coppolas Niederlage mit der Studiogründung Zoetrope, um die Hoffnung, dass alles möglich ist im "land of the free". Damals, wie gesagt, war (für Coppola) nicht alles möglich. Heute macht DreamWorks (sich) aber wieder Hoffnungen. Und Jeff Bridges grinst.

Darüber übersieht man mitunter fast, dass manchmal das angestrebte historische Panorama (Große Depression etc.) ein wenig schematisch geraten ist. Trotzdem: großes US-Kino mit Herz und Hirn, wie man es dieser Tage nicht oft zu sehen bekommt. (DER STANDARD, Printausgabe, 27./28. 9.2003)