Auf einmal geht es ganz schnell: Kaum hat Justizminister Dieter Böhmdorfer seine Aussagen über "desinteressierte" Richter und deren Bestellung auf Zeit beleidigt zurückgezogen, entdeckt die Richterschaft ihre Reformfreude. Sie will selbst über Postenbesetzungen und die Verteilung der Budgetmittel entscheiden - also eine Art "institutionelle Unabhängigkeit". Ein "Rat der Gerichtsbarkeit", in dem auch der Minister sitzen darf, soll bestimmen. Und wer hat darin die Mehrheit? Natürlich die Richter, sagen die Richter. Man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu wissen, wohin das Reformpapier im Ministerbüro wandert: in die Rundablage.

Eine andere Forderung aus der Richterschaft hat dagegen mehr Chancen auf Umsetzung und sollte jedenfalls diskutiert werden: die Abschaffung der Geschworenengerichte. Eines der Hauptargumente: Laien könnten über schwierige Rechtsprobleme nicht richtig entscheiden. Die Schwurgerichte sollen durch erweiterte Schöffensenate ersetzt werden, wo Laien Seite an Seite mit Berufsrichtern sitzen.

Geschworenengerichte haben gleich mehrere Schwächen: Sie sind nicht nur aufwändig, sondern auch fehleranfällig und leichter durch oberflächliche Eindrücke zu beeinflussen - Emotionen im Gerichtssaal schlagen sich schnell nieder.

Europas Rechtssysteme gehen in Richtung Schöffensenate. Mit Österreich setzen nur noch vier andere europäische Länder auf Geschworenengerichte. Bei einem Schöffensenat, in dem zwei Richter zwei Schöffen gegenübersitzen, besteht allerdings die Gefahr, dass die Laien allzu sehr von ihren professionellen Kollegen an der Richterbank in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Also könnte man den Richtern noch zwei Schöffen zur Seite setzen. Doppelt hält besser. (DER STANDARD, Printausgabe, 27./28. 9.2003)