Der involvierte Notarzt ist die erste konkrete Person, gegen die auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt wird.

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Wien - Zweieinhalb Monate nach dem aufklärungsbedürftigen Tod des 33-jährigen Mauretaniers Cheibani W. beim Wiener Stadtpark ermittelt die Justiz nun erstmals offiziell auch gegen eine konkrete Person. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Gericht Vorerhebungen gegen den beteiligten Notarzt der Wiener Rettung eingeleitet. "Wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen", erklärte der Sprecher der Anklagebehörde, Helmut Kellner, am Freitag auf STANDARD-Anfrage.

Noch keine Entscheidung

Noch sei aber keine Entscheidung gefallen, von einem Strafantrag bis hin zur Einstellung sei alles möglich, betonte Kellner. Außerdem seien die Ermittlungen "gegen unbekannt" ebenfalls noch aufrecht. Die weitere Vorgangsweise hängt unter anderem vom gerichtsmedizinischen Gutachten ab, das die genaue Todesursache klären soll.

Wie berichtet, war Cheibani W. am 15. Juli im Rahmen eines Polizei- und Rettungseinsatzes beim Afrika-Kulturdorf im Wiener Stadtpark verstorben. Beide Blaulichtorganisationen waren alarmiert worden, weil W. angeblich bei einem Streit derart in Rage geraten sein soll, dass sich zwei Personen massiv bedroht gefühlt hatten. Nach Eintreffen der Polizei konnte der Mauretanier beruhigt werden, die Situation eskalierte jedoch nach Ankunft des Notarztteams, als Cheibani W. in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht werden sollte. Weil er sich dagegen wehrte, wurde er überwältigt, am Boden fixiert und sediert.

Video eines Anrainers

Eine zentrale Rolle bei der Aufklärung spielt das Video eines Anrainers, der vom Fenster seiner Wohnung aus den Vorfall gefilmt hatte. Der Film hält fest, dass auf dem bereits regungslos am Boden liegenden Afrikaner Sanitäter und Polizisten teilweise mit beiden Füßen stehen. Daneben der Rettungsarzt mit seinen Händen in den Taschen.

Kurze Zeit später wurde im AKH der Tod von Cheibani W. festgestellt. Ob er erstickt ist oder ob eine Herzkrankheit eine letale Rolle gespielt haben könnte oder unter Umständen illegale Drogen, soll die Gerichtsmedizin klären. Das endgültige Gutachten steht immer noch aus.

Der Rettungsarzt und sein Team wurden vorläufig suspendiert, die Polizisten nicht. Rechtsanwalt Peter Philipp, der den Arzt vertritt, ist überzeugt davon, dass seinen Mandanten keine Schuld trifft. "Er hat medizinisch korrekt gehandelt", sagte Philipp zum STANDARD. Wie berichtet, behauptet der Notarzt, dass die Polizei es verhindert habe, dass Cheibani W. gleich zu Beginn mit Psychopax-Tropfen (Beruhigungsmittel) behandelt werde. Erst nachdem die Situation außer Kontrolle geraten war, hätten die Sicherheitswachebeamten eine Haldol-Spritze zugelassen. (Michael Simoner/DER STANDARD, 27./28.9.2003)