Wien - Oft konnte man spätabends, aber dann immer zugleich zufällig, dem am Samstag in Wien gestorbenen und 1939 in Graz geborenen Helmut Eisendle in der Wiener Bäckerstraße über oder unter den Weg laufen, und es war immer irritierend. Nie gemütlich. Aber dass Wien nicht gemütlich ist, wissen am besten Dichter aus Graz. Ein unglückliches Bewusstsein ist ein genaueres Bewusstsein, und natürlich nicht zufällig hat Helmut Eisendle in über dreißig Büchern literarisch-wissenschaftlich über Bewusstsein nachgedacht.

In Intelligenztests wird immer bloß die Anpassungsleistung belohnt: "Ein Arbeiter ist intelligent, wenn er gut arbeiten kann." Das stellte Eisendle - ein Hauptschulabsolvent, der nach der Abendmatura und parallel zu einem Beruf als Werkstättenlehrer an der Grazer HTL für Maschinenbau von 1965 bis 1970 Psychologie und Philosophie studiert hatte - schon in seiner Diplomarbeit fest. Und entwickelte daraus auch früh ein ästhetisches Programm, das diesen engen Begriff des "Verstandes" als Funktionieren in der Gesellschaft unterwandern wollte.

Deshalb die Literatur: Im Handbuch zum ordentlichen Leben oder Ein Testinsturment zur Prüfung der Anpassung an das Durchschnittsverhalten (1978) bietet Eisendle im Prüfungsteil dem Leser die Möglichkeit, seine eigene Anpassung an Sprach- und Verhaltensmuster zu testen. Je mehr Erfolg man dabei hat, umso unangenehmer. Als Verweigerer liebte Eisendle später auch literarisch das Chaos, das sich durch wissenschaftliche Einschübe kaum bremsen ließ.

Der Narr auf dem Hügel (1981) ist ein solches Buch. Eisendle schuf neuartige Essayformen; für 2003 angekündigt: Ein Stück des blauen Himmels. Es sei ihm gewünscht. (rire, DER STANDARD, Printausgabe vom 22.9.2003)