Erwin Pröll bleibt Landeshauptmann von Niederösterreich und damit ein wichtiger Player in der ÖVP, der auch ein gewisses Korrektiv für den Alleinvertretungsanspruch von Wolfgang Schüssel und für den jugendlichen Übermut von Karl-Heinz Grasser darstellen kann. Die Bundespräsidentenrolle hätte ihm ohnehin nicht gepasst.

In Niederösterreich beschränkt sich seine Tätigkeit in den nächsten Jahren nicht nur aufs Bandldurchschneiden, sondern die Bewältigung der Osterweiterung ist in Wirklichkeit eine immense Aufgabe. Die besteht unter anderem darin, eine fahrlässige Bundesregierung dazu zu bringen, die Nord- und Ostverbindung per Straße und Schiene auf einen akzeptablen Standard zu bringen, möglicherweise mit einer Private-Public-Partnership. Noch genug zu tun für Erwin Pröll.

Inzwischen wird also gerätselt, wen Wolfgang Schüssel als Kandidaten oder Kandidatin für die ÖVP aufstellen wird. Waltraud Klasnic, Landeshauptmann der Steiermark (für gendermotivierte LeserbriefschreiberInnen: Sie will selbst so genannt werden) hat bereits die ausdrückliche Unterstützung der FPÖ und Jörg Haiders und würde im Wahlkampf auch außerhalb der Steiermark punkten. Sie ist Schüssel aber vermutlich zu selbstständig und liegt in den Umfragewerten weit hinter dem wahrscheinlichen SP-Kandidaten Heinz Fischer (was zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel bedeutet).

Als fast sicher gilt die Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Sie hat sehr gute Beliebtheitswerte, beherrscht das Repräsentieren und ist noch nicht mit großem Widerspruchsgeist gegenüber Schüssel aufgefallen. Im Wahlkampf gegen Fischer könnte sie mit ihrer intensiven Freundlichkeit punkten, könnte aber auch über ihre Neigung zu publicitymotivierten Fehlern stolpern. Als sie damit herausplatzte, man habe ein Lebenszeichen von den Sahara-Geiseln, schäumte die deutsche Regierung vor Wut, weil die Entführer daraus geschlossen haben könnten, dass ihnen die algerische Armee dicht auf den Fersen sei, was die Geiseln in potenzielle Lebensgefahr gebracht hätte. Trotzdem hätte sie natürlich mit ihrer internationalen Akzeptanz kaum Probleme.

Schließlich wird im News kolportiert, Schüssel habe sich die frühere Vizekanzlerin, FP-Obfrau und jetzige Bauspardirektorin Susanne Riess-Passer als Sensationscoup ausgedacht. Riess-Passer hat angeblich immer noch gute Umfragewerte, wird von Schüssel persönlich sehr geschätzt und wäre sozusagen die gegebene schwarz-blaue Kandidatin.

Das allerdings könnte ein Irrtum sein, denn Frau Riess-Passer war in Wirklichkeit dem durchschnittlichen FPÖ-Wähler und den kleinen Funktionären ziemlich fremd. Das wurde in Knittelfeld mehr als deutlich. Mit Wahlunterstützung durch Jörg Haider könnte sie wohl nicht rechnen, eher mit dem Gegenteil. Überdies ist bei ihr die Frage der internationalen Akzeptanz nicht so einfach. Und schließlich scheint sie ihren Abgang aus einer Politik, wo ihr gerade von Parteifreunden ziemlich viele Verletzungen zugefügt wurden, einigermaßen ernst zu meinen.

Jedenfalls sind es derzeit nur Damen, die auf der ÖVP-Seite ins Spiel gebracht werden, denn auch die Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer hätte in den Augen von Schüssel durchaus präsidiale Statur, allerdings hat sie sich bei jüngeren Leuten mit ihrer "Party statt Kinder"-Aussage eine schwere Selbstbeschädigung zugefügt. Für die alte Patriarchenpartei ÖVP eine beachtliche Entwicklung. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2003)