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Der deutsche Wirtschaftsminister Clement ist gezeichnet von den Verhandlungen in Cancún.

Foto: REUTERS/Eliana Aponte
Berlin - Nach dem Scheitern der WTO-Konferenz in Cancun hat der deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) davor gewarnt, künftig direkte Verträge zwischen einzelnen Staaten oder Regionen an die Stelle weltweiter Handelsvereinbarungen zu setzen. Vor allem in den USA sei derzeit die Tendenz zu erkennen, bilaterale Verträge als Alternative zur Welthandelsrunde zu betrachten, sagte Clement am Dienstag in Berlin.

Abschluss der Doha-Runde bis Ende 2004 sei weiterhin möglich

"Die Versuchung ist jetzt natürlich groß." Deshalb müsse die Europäische Union eine Führungsrolle bei dem Versuch übernehmen, "erfolgsorientierte" Gespräche so schnell wie möglich wieder in Gang zu setzen. Er hoffe, der unerwartete Abbruch in Cancun werde sich als "heilsamer Schock" erweisen und nicht in eine Lähmung des Verhandlungsprozesses münden. Ein Abschluss der Doha-Runde im vereinbarten Zeitrahmen bis Ende 2004 sei weiterhin möglich.

Die deutsche Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) wies in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Clement darauf hin, dass nach dem Scheitern der WTO-Konferenz für den Agrarbereich zum Jahresende die Friedensklausel ende, eine Art Stillhalteabkommen bei der Verletzung bestehender Handelsregeln. Damit werde es bald wieder deutlich mehr Anrufungen und Schlichtungsverfahren bei der WTO geben, sagte Künast. "Das wird den Handel nicht gerade erleichtern."

Durchsetzung von Agrarreformen in der EU sei schwieriger geworden

Schwieriger sei nun auch die Durchsetzung der Agrarreformen innerhalb der Europäischen Union geworden, erläuterte Künast: "Mit WTO-Druck war es einfacher als ohne, in den EU-Agrarministerrunden zu Ergebnissen zu kommen." Dennoch werde Deutschland bei der Umsetzung der bereits beschlossenen Reformen weiter Druck machen und hoffen, dass andere Länder in ihrem Reformeifer jetzt nicht nachließen.

Clement regte überdies eine Vereinfachung des komplizierten Verhandlungsverfahrens innerhalb der WTO an an. Die Positionen von 148 WTO-Staaten seien "verhandlungstechnisch schwer zu steuern", sagte der Minister. Deshalb könne womöglich die Einrichtung einer "politischen Steuerungsgruppe" sinnvoll sein, in der alle Beteiligten der Verhandlungen angemessen vertreten sein müssten.

Schüssel: "Singapur-Themen führten zum Scheitern"

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) bedauerte am Dienstag nach dem Ministerrat das Scheitern WTO-Konferenz in Cancun. Laut Schüssel hat nicht die Landwirtschaft zum Abbruch der Gespräche geführt, sondern die so genannten "Singapur-Themen". Dazu gehört der Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen, die Frage des Investitionsschutzes und des öffentlichen Beschaffungswesens sowie die Erleichterung des Freihandels. Eine genaue Erörterung des Themas soll im kommenden Ministerrat stattfinden.(APA)