Bild nicht mehr verfügbar.

Jacques Chirac

Foto: APA/Ian Denis
Paris - Das Nein der Schweden zur Einführung des Euro hat in Frankreich eine politische Debatte zur Frage entfacht, ob es tatsächlich angebracht sei, eine Volksabstimmung zur Genehmigung der künftigen europäischen Verfassung zu veranstalten. Zwar hatte Präsident Jacques Chirac (UMP) beim Wahlkampf im Frühjahr 2002 versprochen, dass er ein Referendum über die "Verfassung einer Föderation von Nationalstaaten" abhalten und sich gleichzeitig für die Osterweiterung einsetzen werde, allerdings kommen nach den jüngsten Meinungsverschiedenheiten zum EU-Grundgesetz immer mehr Zweifel auf.

Zweite Amtszeit Chiracs könnte diskreditiert werden

Sollten sich die Franzosen gegen die vom EU-Reformkonvent unter der Leitung des französischen Ex-Präsidenten Valery Giscard d'Estaing (UDF) ausgearbeitete Verfassung aussprechen, so würde dies nicht nur die zweite Amtszeit Chiracs im Elysee-Palast (2002-2007) diskreditieren, sondern auch die Fortsetzung der europäischen Konstruktion arg in Mitleidenschaft ziehen. "Für den Augenblick ist die Orientierung für die Idee eines Referendums geöffnet", meinte die Chirac-Sprecherin Catherine Colonna ausweichend.

In der Tat musste Chirac auf seiner eigenen Haut erfahren, dass die Franzosen bei Referenden auch Nein sagen können. So etwa zuletzt bei der Volksabstimmung in Korsika für eine vermehrte Verwaltungsautonomie auf der Mittelmeerinsel, obwohl sich die konservativen, die linken und sogar die nationalistischen Parteien für das Ja eingesetzt hatten. Auch die Parlamentsauflösung im April 1997 brachte Chirac eine Wahlniederlage, obwohl sich der konservative Präsident des Sieges seines Lagers sicher war. Diese Fehleinschätzung kostete den Gaullisten dann fünf Jahre Kohabitation mit dem sozialistischen Premier Lionel Jospin (1997-2002).

Entscheidung liegt beim Präsidenten

"Ich bin für ein Referendum, aber man muss sehr misstrauisch sein. Einige meiner Parteikollegen sind dagegen, die Entscheidung steht allein dem Präsidenten zu", betonte Pierre Lequiller (UMP), Präsident des Europaausschusses in der Nationalversammlung. Im konservativen Lager hat man nicht vergessen, dass beim Referendum zum Maastrichter Vertrag das Ja nur ganz knapp gewonnen hat. Es erscheint daher in den Augen mancher vernünftiger und vor allem politisch weniger riskant, eine gemeinsame Sitzung der beiden Parlamentskammern, den so genannten "Kongress", einzuberufen, damit er das EU-Grundgesetz gutheiße.

Opposition für Referendum

Für eine Volksabstimmung sind dagegen sämtliche Oppositionsparteien, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die Verfechter von Frankreichs "Souveränität", so etwa der Linksrepublikaner Jean-Pierre Chevenement (Mouvement republicain et citoyen, MRC), der Altgaullist und ehemalige Innenminister Charles Pasqua (Rassemblement pour la France, RPF), der Rechtsaußen Philippe de Villiers (Mouvement pour la France, MPF), sowie die Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen (Front National, FN) und Bruno Megret (Mouvement National Republicain, MNR) erblicken darin die letzte Möglichkeit, Frankreich vor der "Euroglobalisierung" zu retten.

Der Linken ist es dagegen eher daran gelegen, eine Bresche zu schlagen, um ihr politisches Gewicht ins Spiel zu bringen. "Ein Referendum zu neuen Verfassung ist in Frankreich und in allen anderen europäischen Ländern nötig, in denen es verfassungsrechtlich möglich ist", betonte der ehemalige sozialistische Außenminister Hubert Vedrine (PS) am Dienstag und fügte hinzu: "Wir werden einen Wahlkampf für das Ja führen, außer der Entwurf wird von der EU-Regierungskonferenz aufgeschnürt und im Wesen verändert."

Im Endeffekt könnte es gerade von der Haltung der Sozialisten und anderen Linksparteien abhängen, ob Chirac die Volksabstimmung einberuft oder nicht. UMP-Chef Alain Juppe, der ein Referendum befürwortet, rief die Sozialisten dazu auf, eine "verantwortungsbewusste Haltung" in der Frage einzunehmen. "Wir haben gewisse Forderungen, die die Regierungsmehrheit zur Kenntnis nehmen muss, wenn sie ein Abkommen zum Verfassungsreferendum wünscht. Bisher hat sie allerdings keinen Kontakt mit der Opposition gesucht", betonte der ehemalige Europaminister Pierre Moscovici (PS).

Die Sozialisten haben überdies beschlossen, ein parteiinternes Referendum zur künftigen EU-Verfassung abzuhalten. Der Chef des linken PS-Flügels, Henri Emmanuelli, und der Chef der Reformsozialisten Arnaud Montebourg ließen allerdings bereits wissen, dass sie für das Nein Wahlkampf führen werden. (APA)