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Die heimischen Rechtsanwälte sorgen sich um die Rechte von Beschuldigten im Strafprozess. Aus ihrer Sicht gibt die geplante Novelle der Strafprozessordnung zu viele Möglichkeiten, einen Rechtsbeistand zu verhindern. Im Justizministerium sieht man das anders.

montage: derStandard.at (foto: reuters)
Wien - Aus Film und Fernsehen ist die Szene bekannt: Wenn US-Polizisten einen Verdächtigen nicht über seine Rechte informieren, flucht der Staatsanwalt. Denn dann kann es sein, dass Beweismittel wie ein Geständnis nicht im Prozess verwendet werden dürfen. In Österreich werden die Rechte des Beschuldigten auch nach der für den Herbst geplanten Strafprozessreform zu wenig gewahrt, kritisieren die Rechtsanwälte.

Speziell der Anspruch auf Verteidigung vor der Polizei oder Gendarmerie sei "ein unhaltbarer Zustand", beklagten sich am Montag bei einem Pressegespräch in Wien Elisabeth Rech vom österreichischen Rechtsanwaltkammertag und Richard Soyer von der Vereinigung österreichischer Strafverteidiger.

Ihre Befürchtung: Nominell enthalte das neue Regelwerk zwar Verbesserung, in der Realität sei es aber so schwammig formuliert, dass die Sicherheitskräfte nach eigenem Gusto die Beiziehung eines Verteidigers bei Vernehmungen verhindern können.

Denkbar sei zum Beispiel, dass ein Beschuldigter einen Rechtsbeistand verständigen kann, die Polizei aber mit der Vernehmung anfängt, bevor dieser eingetroffen ist. Darüber hinaus kann die Exekutive auch die Anwesenheit des Beistandes untersagen, wenn dadurch "die Ermittlungen gefährdet sind". Und schließlich hätten mittellose Personen bei den Polizeiermittlungen im Gegensatz zum Gerichtsprozess keinen Anspruch auf einen kostenlosen Anwalt.

Erzürnt sind die beiden Juristen auch über Änderungen, die sich seit dem ersten Reformvorschlag aus dem Justizministerium im Jahr 1998 ergeben haben. So sei damals noch dezidiert von "Verteidigern" die Rede gewesen, die vor Vernehmungen verständigt werden können, nun sei es eine "Vertrauensperson". "Ist das die Mutter oder ein Freund, hat es die Exekutive natürlich leichter, sie von der Befragung auszuschließen, als bei einem Rechtsanwalt", moniert Soyer.

Auch die Frage, wann die so genannte Rechtsbelehrung zu erfolgen hat, ärgert die Anwälte. Im ersten Entwurf von 1998 hieß es noch "sogleich", mittlerweile findet sich der Begriff "sobald als möglich".

Am kommenden Mittwoch und im Oktober sollen im parlamentarischen Unterausschuss noch Beratungen zur Reform stattfinden, dann soll das Parlament abstimmen.

Im Justizministerium zeigt man sich grundsätzlich gesprächsbereit, versteht die Aufregung nicht ganz. So sei die Gesetzesstelle, die die Beiziehung einer "Vertrauensperson" statt eines "Verteidigers" beinhaltet, kein Nachteil. "Es ist die allgemeinere Formulierung, die dem Verdächtigen mehr Möglichkeiten eröffnet", erklärt der zuständige Beamte im Justizministerium.

"Ein Kompromiss"

Bei der Frage, wann die Rechtbelehrung durch die Exekutive zu erfolgen hat, gesteht er allerdings ein, "dass das auf einen Kompromiss mit den Sicherheitsbehörden abzielt". Die neue Formulierung dürfte daher auf Wunsch des Innenministeriums zustande gekommen sein.

Bei der Frage von mittellosen Beschuldigten, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können, verweist Michael Schön, Pressesprecher des Justizministers, auf die geplante Novelle, die sehr wohl eine kostenlose Vertretung für das gesamte Verfahren vorsieht. Allerdings nur, solange sich der Beschuldigte in U-oder Strafhaft befindet.

Zum Vorschlag der Rechtsanwälte, einen Anwaltsnotruf einzurichten, dessen Kosten teilweise der Bund übernehmen sollte, verweist man im Justizministerium dagegen an den Finanzminister. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.9.2003)