Bild nicht mehr verfügbar.

Krieg gegen die Daker in einer römischen Darstellung

Foto: Archiv

Ein in Stein gehauener Wehrmachtsbericht - das ist die Trajanssäule im Zentrum Roms. In 124 Einzeldarstellungen erzählt sie den Verlauf der Dakerkriege, die Kaiser Trajan 101 bis 107 mit dem Ziel führte, den unruhigen Nachbarn die Lust auf Raubzüge in die römische Provinz Moesia (heute Bulgarien) auszutreiben und das Land im Karpatenbogen und am Nordufer der Donau als Dacia seinem Reich einzuverleiben.

Der Gründung der Provinz Dacia folgte die massenhafte Ansiedlung von Kolonisten aus allen Teilen des Reichs, vorwiegend Veteranen aus den Legionen. Die lateinische Sprache der Zuzügler, die nun Verwaltungssprache der Provinz war, wurde von den Einheimischen rasch angenommen, die vormaligen Soldaten heirateten oft dakische Frauen (das vom lateinischen miles abgeleitete mire bedeutet im Rumänischen "Bräutigam"!). Die Vermischung von römischen Siedlern und Dakern und deren sprachliche Assimilation an das Lateinische wird als Ethnogenese des rumänischen Volkes angesehen. Die Romanisierung ging also ähnlich wie in Gallien und Iberien vor sich.

Der Staat der Daker war zur Zeit der römischen Eroberung gut organisiert und stellte gerade deshalb eine Gefahr für Rom dar. Um 70 v. Chr. hatte König Burebista die verschiedenen Stämme zu einem Reich zusammengeschweißt, mehr als hundert Jahre später erstand den Römern in König Decebal ein angriffslustiger Feind, der zunächst mehrere römische Heere schlug und mit Zahlungen befriedet werden sollte. Als er aufrüstete, schritt Trajan ein, und Decebal, geschlagen, zog den Freitod der Vorführung im Triumphzug in Rom vor.

Der dakische Widerstand war gebrochen, ein Teil der Bevölkerung wurde über die Reichsgrenze vertrieben, allerdings wurden diese Daci liberi später in die Provinz zurückgeholt. Doch im dritten Jahrhundert war die Grenze gegen den wachsenden Druck und die Invasionen der Goten nicht mehr zu halten, und Kaiser Aurelian gab die Provinz 272 auf; ein Teil der Zivilbevölkerung wurde mit den Legionen evakuiert. Überraschenderweise hat die romanisierte Bevölkerung ihre Sprache nicht nur über die Stürme der Völkerwanderung hinweg erhalten, auch das Einströmen der Slawen, die fast die ganz Balkanhalbinsel besetzten, und die Landnahme der Magyaren konnte diese rumänische Sprache nicht verstummen lassen, wenn auch ihr Wortschatz slawische Elemente aufnahm und in der Grammatik Übereinstimmungen mit anderen Balkansprachen zu finden sind.

Mit dem aufkeimenden Nationalismus im 19. Jahrhundert wurden Siedlungsraum, Machtbereich und Weiterleben dieses eng mit den Thrakern südlich der Donau verwandten Volkes zu einer Streitfrage von politischer Brisanz. Es ging dabei vor allem um Siebenbürgen/ Transsilvanien, das seit der Landnahme der Magyaren ein Bestandteil des Königreichs Ungarn war. Zur Sicherung der Ostgrenze waren dort zuerst die magyarischen Szekler, dann die deutschen "Sachsen" angesiedelt worden.

Zusammen mit den ungarischen Adeligen bildeten sie eine Dreier-Union, die Siebenbürgen auch nach der Eroberung Ungarns durch die Osmanen eine gewisse Selbstständigkeit bewahrte. Die rumänischen Bauern und Hirten, damals allgemein als Walachen bezeichnet (nach der germanischen Bezeichnung, deren Wortstamm auch in den "Welschen", "Wallonen", "Walisern" weiterlebt), waren rechtlos. Die Volkszählungen in der Habsburgermonarchie ergaben, dass die Rumänen die Bevölkerungsmehrheit in diesem Gebiet bildeten. Dennoch blieb das Verlangen der rumänischen Nationalbewegung nach Gleichberechtigung in Wien lange ungehört und schien mit der Eigenständigkeit Ungarns durch den "Ausgleich" von 1867 überhaupt in weite Ferne gerückt.

Die nationalen Kräfte im 1866 gebildeten Königreich Rumänien sahen die Vereinigung aller Rumänen in einem Staat als ihr Ziel, und damit begann vor allem der Kampf um Siebenbürgen. Der Blick zurück in eine zweitausendjährige Vergangenheit sollte die Argumente dafür liefern, wer als "autochthon" die besseren Ansprüche in der Gegenwart hatte. Die Wissenschaft wurde zurate gezogen, und wie so oft in solchen Fällen zeigte sie sich völlig uneins, wobei dahingestellt bleiben mag, wie sachbezogen die jeweiligen Beweise, mit denen argumentiert wurde, in jedem einzelnen Fall waren. Nicht nur ungarische und rumänische, sondern auch österreichische und deutsche Gelehrte belieferten die Streitparteien - gewollt oder ungewollt - mit Munition.

Die dargelegten Standpunkte widersprachen einander total. Die ungarische Seite bevorzugte die Migrationstheorie. Nach dieser seien die Rumänisch sprechenden Hirten erst im Laufe des Mittelalters in das ungarisch besiedelte Siebenbürgen eingesickert. Und überhaupt sei die aus römischen Siedlern bestehende oder latinisierte Bevölkerung mit der Aufgabe der Provinz durch Kaiser Aurelian ins heutige Bulgarien und Serbien evakuiert worden und die Rumänen hätten erst später wieder die Donau nach Norden überquert. Man berief sich auf romanische Völkersplitter, wie die Aromunen in Mazedonien und Griechenland, und darauf, dass es bis ins hohe Mittelalter keine fundierten Berichte über die Walachen gegeben habe, was die Gegenseite erwidern ließ, eine so große Völkerwanderung wie eine solche Neubesiedlung wäre von den mittelalterlichen Chronisten sicherlich wahrgenommen worden.

Die rumänische Seite bestand auf der Kontinuitätstheorie, die besagt, dass keineswegs die gesamte romanisierte Bevölkerung der Provinz Dacia abgesiedelt worden sein könne, sondern vor allem die Verwaltungsbeamten und Wohlhabenden. Das einfache Volk sei auf seinem angestammten Boden geblieben, in der Ebene ebenso wie im Gebirge, wo ja auch die Königshauptstadt gelegen war und sogar der Name der Karpaten, nach dem dakischen Teilstamm der Carpi, ihre Präsenz bezeuge. Die rumänische Sprache habe sich gerade deshalb erhalten, weil die verschiedenen Reitervölker, die einander in diesem Raum ablösten, die Bauern für ihre Versorgung brauchten, aber das Land nicht administrierten.

Der Kriegsausgang 1918 bedurfte nicht der Theorien der Wissenschaft. Machtpolitik und Berufung auf Sprachgrenzen brachten die großzügige Erfüllung der rumänischen Wünsche - wobei das aus der Latinität entspringende Nahverhältnis zu Frankreich eine Rolle gespielt haben mag. Die kurzlebige "Revision" von Hitlers Gnaden, deren Grenzziehung zugunsten Ungarns zeigte, wie schwierig in der ethnischen Gemengelage eine salomonische Lösung war, und der Ärger über Autonomieforderungen der Szekler beflügelte Ceau¸sescu, ungeachtet des kommunistischen Bruderbundes, die Kontinuität des rumänischen Volkes seit der Dakerzeit - auch in Siebenbürgen - als Staatsmythos zu verordnen. Ausgrabungen, die dies bestätigen sollten, wurden forciert, mit ungarischen Historikern wurden heftige Sträuße ausgefochten.

Und im Jahre 1980 ließ der größenwahnsinnige, immer mehr auf Nationalismus setzende Diktator, gewissermaßen ein neuer Burebista, den 2050. Jahrestag der Gründung des dakischen und somit rumänischen Staates prunkvoll feiern. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 9. 2003)