Klagenfurt/Split - "Wenn man vier Monate lang jeden Tag, jeden Abend an die Kinder denkt und ihnen kein Gutenachtbussi geben kann, das möcht' ich niemandem, niemandem zumuten." Christina V. lässt ihren Tränen freien Lauf, während sie sich an die dramatischen Stunden der vergangenen Tage erinnert. Die Klagenfurterin hatte ihre Kinder Julia (5) und Mario (8) am Dienstag in einer waghalsigen "Befreiungsaktion" selbst aus dem Gewahrsam ihres Vaters, eines gebürtigen Kroaten, nach Österreich zurückgeholt. Hintergrund der Geschichte ist eine gescheiterte Ehe.

Entführung am Muttertag

Der Vater hatte die Kinder am Muttertag des heurigen Jahres im Zuge eines Scheidungskrieges gekidnappt und war mit ihnen in Split untergetaucht. Das Sorgerecht war zuvor der 33-jährigen Mutter zugesprochen worden.

Selbsthilfe

Weil der kroatische Staat die Kinder trotz eines international gültigen Rechtstitels nicht auslieferte, griff die Klagenfurterin zur Selbsthilfe, borgte sich Geld und organisierte einen Detektiv und drei Helfer. "Ich habe gesehen, dass es auf dem rechtlichen Weg Monate, wenn nicht Jahre dauern kann, bis ich meine Kinder wieder zurückkriege. Da hab' ich bei meinen Freundinnen und Bekannten um Geld gebettelt für die Aktion."

Rückholaktion

Am Dienstag stand Christina V. in Split wieder vor ihren Kindern. Als sie die beiden ins Auto verfrachtet, wird sie von ihrem Exeheman attackiert. Es kommt zu einem Handgemenge, bei dem einer der Helfer verletzt wird. Der tobende Vater lässt schließlich auch noch sein Motorrad in das Fluchtauto krachen: "Es war alles voll Splitter. Die Kinder haben geschrien, es war fruchtbar", schildert die Frau die dramatischen Minuten.

Das "Befreiungskommando" wechselte dann auf der Fahrt zurück nach Kärnten das beschädigte Auto. Mit dem neuen Fahrzeug kam man unbehelligt über Rijeka und Laibach zurück nach Klagenfurt. Rechtliche Folgen dürfte es für die Mutter keine geben. (stein, DER STANDARD Printausgabe 12.9.2003)