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Foto: Reuters/LeClair
Gastgeber Mexiko legte beim WTO-Gipfel ein Kompromisspapier vor. Der einzige Konsens, der aber erreicht wurde: Niemand ist zufrieden. Eindeutig wurde, dass die Industriestaaten bei den Agrarhilfen nicht nachgeben wollen. Die "G21-Gruppe" ist enttäuscht.

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Cancún - Keiner war so recht zufrieden mit dem neuen Kompromisspapier, das am Wochenende auf dem Tisch der WTO-Minister in Mexiko landete. Doch um ein vorzeitiges Scheitern der Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Welthandels zu vermeiden, machten Europäer und US-Delegierte zunächst gute Miene. Es sei "eine annehmbare Basis für weitere Diskussionen", sagte EU-Kommissar Pascal Lamy. Der deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement fand deutlichere Worte: "Wenn der Entwurf so bleibt, wird die gesamte EU nicht zustimmen."

Doch die Positionen verhärteten sich zunehmend, sagte WTO-Sprecher Keith Rockwell. "Der einzige Konsens ist, dass niemand mit dem Papier zufrieden ist." Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein glaubt, dass die Verhandlungen sich bis in den Montag ziehen werden. Einige NGOs rechnen mit dem Abbruch wie in Seattle 1999.

Besonders die Gruppe der Entwicklungsländer (G-21) zeigte sich enttäuscht. Brasiliens Entwicklungsminister Miguel Rossetto erklärte, er sei "frustriert". "Jetzt werden die Messer gewetzt", sagte Argentiniens Außenminister Rafael Bielsa. Der vom mexikanischen Außenminister Luis Derbez ausgearbeitete Kompromiss bringt beim Agrarhandel kaum Neues: Die WTO-Mitglieder sollten Exportsubventionen für eine Liste von Produkten abschaffen, die für Entwicklungsländer besonders wichtig sind - nicht aber für alle Produkte, wie die G-21 gefordert hatten. Die EU sträubte sich heftig gegen die Festlegung einer Frist hierfür und schlug stattdessen vor, der Bitte afrikanischer Staaten zu entsprechen und Baumwolle in diese Liste aufzunehmen, was wiederum die USA strikt ablehnten.

Die internen Agrarsubventionen sollen dem Text zufolge lediglich "reduziert" werden, wer am meisten subventioniere, solle sich dabei am meisten anstrengen. Die Zölle für Agrarprodukte sollen um einen noch festzulegenden Mindestsatz gesenkt werden, damit die Entwicklungsländer besseren Marktzugang für ihre wichtigsten Exportprodukte haben. Die Hilfsorganisation Oxfam kritisierte, der Text bringe "wenig oder nichts, um das Exportdumping zu beenden, das 900 Millionen Kleinbauern weiter in Armut hält". Bei der ebenfalls umstrittenen Aufnahme von neuen Themen in die WTO-Runde ("Singapore-Issues") sieht der Kompromissvorschlag vor, die transparente Vergabe von Regierungsaufträgen und Handelserleichterungen wie Bürokratieabbau einzubeziehen.

Die großen Wirtschaftsräume untermauern ihre Position politisch: Die USA argumentierten, sie könnten wegen der Präsidentschaftswahlen keine größeren Zugeständnisse machen. Die EU schiebt die Erweiterung vor. "Das ist wie der Kampf zwischen Godzilla und King Kong, und wir stehen mittendrin wie ein Mäuschen, das jeder Windzug umwerfen und verletzen kann", sagt dazu der honduranische Handelsminister Norman Garcia. (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2003)