Wien - Mit ihrem Wunsch nach tabuloser Diskussion über zwei bildungspolitische Reizthemen der Schwarzen - Ganztags- und Gesamtschule - bleibt die steirische ÖVP vorerst allein. Landesgeschäftsführer Andreas Schnider hatte einen entsprechenden Vorstoß in einer "Schulcharta" gewagt.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer meinte dazu am Dienstag in einem STANDARD-Gespräch: "Meine schulpolitischen Schwerpunkte sind Qualität und Leistungsstandards. Ich glaube, dass es wahnsinnig wenig bringt, wenn jetzt über die Organisation diskutiert wird." Und sie beharrt darauf, dass es nicht sinnvoll sei, allen Kindern eine Verschränkung von Unterricht und Freizeit aufzuzwingen, wie es die Ganztagsschule (vor Jahren von der ÖVP als "Zwangstagsschule" verunglimpft) vorsehe. In der Autonomie sei ohnehin etliches möglich. Sie bestehe auf Wahlfreiheit.

Was die Gesamtschule betreffe, habe die Pisa-Studie gezeigt, dass eine "undifferenzierte Gesamtschule" den schlechtesten Bildungserfolg bringe, meint Gehrer.

Auch ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon - obwohl selbst ein Steirer - betont, auf Gehrer-Linie zu sein. Auch wenn er nicht leugnet, dass er mit dem derzeitigen Schulsystem nicht zufrieden ist - vor allem in Wien. Dort sei die AHS-Unterstufe zu einer Gesamtschule geworden. Und in den Wiener Hauptschulen gebe es in der Praxis keine Differenzierung mehr in erste und zweite Leistungsgruppe. Das habe insgesamt das Bildungsniveau gesenkt. Daher trete er für Aufnahmeverfahren ins Gymnasium ein. Die im Bildungsressort eingerichtete Zukunftskommission könnte ja überlegen, ob eine Schulwahl mit zehn Jahren nicht zu früh sei. Doch mit solchen Themen will Gehrer die Kommission nicht "überfrachten".

Mittlerweile ließ auch der Katholische Familienverband wissen, dass er strikt gegen die Einführung des Ganztagsschulsystems sei, während die SP-nahen Kinderfreunde auf eine "parteiübergreifende, inhaltliche Diskussion" hoffen. (mon/DER STANDARD, Printausgabe, 10.9.2003)