Wien - Patienten wurden monatelang nicht gebadet, wurden statt auf die Toilette gebracht, mit Windeln versehen ins Bett gesteckt. DER STANDARD berichtete über die Missstände am Geriatriezentrum Wienerwald, zwei Jahre lang sind Beschwerden nicht gehört worden. Erst die Anzeige eines Sachwalters und eine daraufhin eingeleitete Kontrolle hat die Angelegenheit ins Rollen gebracht.

Verantwortung und Kontrolle Jetzt wird heftig über Verantwortung und eben diese Kontrolle debattiert. Es scheint, dass sich in dem Fall zu viele Stellen zuständig gefühlt haben. Im Krankenanstaltenverbund (KAV), zu dem das Geriatriezentrum Wienerwald gehört, hat in der Vergangenheit die Innenrevision geprüft, nicht aber eine externe Behörde, ist Freitagnachmittag im Gesundheitsausschuss bekannt geworden. "Es ist eigenartig, wenn man sich selber kontrolliert", meint dazu FP-Ausschussmitglied Günther Barnet. Von der Geschäftsordnung des Magistrats her wäre aber die MA 47-Pflege und Betreuung zuständig gewesen. Es wird konzediert, dass Pittermann mit der Ausgliederung des KAV Anfang 2001 zwar auf der Kontrollkompetenz durch die MA 47 bestanden habe. Tatsächlich sei sie aber nicht durch diese Behörde erfolgt. Erst die Anzeige des Sachwalters habe dazu geführt.

Analyse

In der Analyse, wie es zu den Vorfällen kommen konnte, wird klar, dass mehrere Umstände zusammengekommen sind. Etwa dass der der Pavillon noch nicht saniert ist, kritisiert Grüne-Sprecherin Sigrid Pilz. Es sei für Mitarbeiter angesichts fehlender Toiletten und Badewannen gar nicht möglich gewesen sei, bessere Arbeit zu leisten. Pittermann habe in der Vergangenheit die Fakten immer beschönigt. Wiens Patientenanwalt Walter Dohr ergänzt, dass "Sieben- oder Achtbettzimmer heute nicht mehr zeitgemäß" seien. Er empfiehlt Angehörigen, weitere Missstände zu melden, sie hätten nichts zu befürchten.

Das Personal des Pavillon I wurde von Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann inzwischen ausgetauscht, die Stationsschwester erwartet ein Disziplinarverfahren. Die Wiener ÖVP fordert die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dieser solle alle "Systemmängel lückenlos" aufklären. Die FPÖ wird den Kontrollausschuss mit der Causa befassen.

Gesundheitsstaatssekretär Reinhard Waneck (FP) sprach sich für ein Bundes-Pflegegesetz aus, Familienstaatssekretärin Ursula Haubner will sich um eine einheitliche Ausbildung des Pflegepersonals bemühen. Im Konsumentenschutz sollen ab 1. Juli 2004 die Heimverträge geregelt werden; ab 1. 1. 2005 soll ein Heimaufenthaltsgesetz in Kraft treten. Im Wiener KAV werden derzeit 5099 Pfleglinge betreut, von 3036 Frauen und Männern im Pflegedienst; 1,68 Pfleger pro Patient. (Andrea Waldbrunner, DER STANDARD Printausgabe 6/7.9.2003)