Sarajewo - Die internationale Protektoratsbehörde des Hohen
Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina, Paddy Ashdown, will offenbar
in Kürze den zerstrittenen Stadtrat von Mostar neu besetzen. Das
erfuhr die APA aus französischen Diplomatenkreisen in Sarajewo. Die
während des Bosnien-Krieges zwischen kroatischen und moslemischen
Milizen umkämpfte Stadt war 1994 mit einem Übergangsstatut versehen
worden, das die Trennung entlang ethno-nationalistischer Linien
festlegte.
Während im selben Jahr im so genannten Washingtoner Abkommen die
bis heute bestehende Bosniakisch-kroatische Föderation als eine der
beiden bosnischen Gebietseinheiten (neben der Serbischen Republik)
gegründet wurde, konnte auf kommunaler Ebene der als "Krieg im Krieg"
bezeichnete Konflikt nie gelöst werden. Auch eine im April von der
Ashdown-Behörde eingesetzte Kommission zur Überwindung der
administrativen Blockade scheiterte an den entgegen gesetzten
Partei-Positionen - der Kroatisch-Demokratische Gemeinschaft (HDZ)
und der moslemisch-nationalistischen Partei der Demokratischen Aktion
(SDA).
Entscheidung Ashdowns
Nachdem die aus neun Mitglieder bestehende Kommission eine kurz
vor Beginn der Sommerpause ausgelaufene Frist verstreichen ließ, das
Übergangsstatut zu reformieren, wird bereits seit längerem mit einer
Entscheidung Ashdowns gerechnet, die Verwaltung der in drei
moslemische und drei kroatische Bezirke geteilten Stadt zu vereinen.
Dem Hohen Repräsentanten, der auch dem Außenpolitischen Koordinator
der EU, Javier Solana, Bericht erstatten muss, steht laut
Dayton-Friedensvertrag von Ende 1995 das Recht zu, eigene Gesetze zu
erlassen und Politiker ihres Amtes zu entheben.
Vor allem der moslemische Bürgermeister, Hamdija Jahic (SDA),
scheint Ashdown ein Dorn im Auge zu sein, weil dieser aus
demographischen Gründen auf der Aufrechterhaltung der Trennung
beharrt. Seit Kriegsende sind sehr viel mehr kroatische als
moslemische Bürger in die entlang des Flusses Neretva geteilte, rund
120.000 Einwohner große Stadt gezogen. Jahic war erst am vergangenen
Wochenende in die Kritik geraten, da er bei der Wiederaufnahme des
traditionellen Springens von der "Alten Brücke" der Stadt eine
Schweigeminute nur für die moslemischen Opfer des Krieges abhielt.
Die historische Brücke war im November 1993 von kroatischer
Artillerie zerstört worden, der Brückenschluss nach dem Wiederaufbau
erfolgte vergangene Woche. Die Brücke soll im Frühjahr nächsten
Jahres eröffnet werden. (APA)