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Erst in 284 Jahren wird der Mars der Erde wieder so nahe sein, wie derzeit

Foto: REUTERS/J. Bell
Wien - Er schaut und schaut und schaut - dann steigt er nachdenklich wieder vom knarrend hölzernen Gestell herunter. "Und? Bist jetzt g'scheiter?", fragt sein Freund. G'scheiter vom Schauen allein nicht. Aber um eine Erfahrung reicher - im Bewusstsein den Mars nie wieder so nahe zu sehen. "Wenn Sie mit dem, was sie gesehen haben nicht zufrieden sind, können Sie wieder kommen, wenn der Planet wieder so nahe ist - in 284 Jahren", grinst der Mitarbeiter der Kuffner Sternwarte vor dem 117 Jahre alten Teleskop mit 3,4 Metern Brennweite, das in Originalteilen immer noch im Einsatz ist.

Derzeit ist es im Großeinsatz. Dienstagabend waren wieder 120 Mars-Schaulustige zur Sternwarte in Ottakring gepilgert. Seit 20 Uhr hatten sie schon im Garten geduldig gewartet, um einen vorderen Platz am Fernrohr zu ergattern. Erfahrene Sterngucker hatten Jausenbrote zur Stärkung mitgebracht.

Heute keine Allgefahr

Eigentlich wäre "Asteroiden, Gefahr aus dem All" auf dem Programm gestanden. Aber auf die Allgefahr pfeifen heute alle - das Motto des Abends könnte eher von Frank Sinatra (oder Robbie Williams) gesungen sein: "Have you heard it's in the stars: Next july we collide with Mars." Es ist zwar die Nacht vor der geringsten Marsnähe zur Erde - doch näher als 55,76 Millionen Kilometer sollte er nicht heran rücken.

"Bisheriger Höhepunkt waren 220 Besucher an einem Abend", berichtet Direktor Peter Habison von den "Mars-Attacks" dieses Jahres. Ein Höhepunkt - aber kein Ausreißer im astronomischen Interesse. "Pro Jahr haben wir derzeit acht- bis zehntausend Besucher", bilanziert Habison. "In den 80-er Jahren waren es nur halb so viele - noch früher waren es 1000 Besucher."

Ein Trend, den auch andere in der Stadt zu spüren bekommen - so schätzt man im "Optikhaus Binder" in der Innenstadt, dass derzeit rund 20 Prozent mehr an Teleskopen verkauft werden. Und zwar sowohl Einsteiger- wie auch Profigeräte. Ein Profigerät ist jedenfalls auch jenes computergesteuerte, das sie im Garten der Kuffner Sternwarte aufgestellt haben und hinter dem eine geduldige Marsianer-Schlange wartet. Hier schauen ist erstens billiger - und zweitens geselliger. "Wann war der Mars jetzt wirklich das letzte Mal so nahe", will einer wissen. Die Kuffner-Wärter sind ehrlich: "Es gibt verschiedene Aussagen. Manche sprechen von 60.000 Jahren, andere von 2000. Wurst - wir haben es alle nicht gesehen."

Nach dem rund einminütigen Durchschauen bleibt dann genug Zeit zu diskutieren. "Meiner war gelb und klein", berichtet ein Bursch. "Meiner war voll rot und unten blau", widerspricht seine Schwester. Andere fachsimpeln gestikulierend: "Also wenn die Ekliptik soooo gebogen ist, warum drehen sich dann eigentlich die Planeten soooo herum?" - "Die Ekliptik ist eine gedachte Linie", versucht Habison die Frage zu ergründen.

Auch wenn der Mars nicht mehr so nahe ist - die exzellente Sicht auf den roten Planeten bleibt noch bis Ende Oktober erhalten. In der Kuffner Sternwarte kann er bei Schönwetter jeden Dienstag, Freitag und Samstag von 21 bis 24 Uhr beobachtet werden.

Heuer gibt es übrigens noch eine totale Mondfinsternis am 9. November. Und nächstes Jahr geht es schon wieder weiter: Am 8. Juni wird ein Venustransit zu sehen sein. Sprich: Es wird mit freiem Auge beobachtet werden können, wie die Venus als schwarzer Punkt durch die Sonne marschiert. "Auch dieses Ereignis hat noch kein lebender Mensch gesehen", weiß Habison. (Roman Freihsl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. August 2003)