Während Berlusconi "vier Weise" in einer Almhütte nachdenken lässt, machen in Rom unkonventionelle Vorschläge die Runde.


Wenn der italienische Ministerrat Donnerstagabend zu seiner ersten Sitzung nach den Ferragosto-Ferien zusammentritt, steht ein heißer Punkt zur Diskussion: die Pensionsreform. Das Thema hatte die Regierung Berlusconi stets verdrängt - mit gutem Grund. Denn die Koalitionspartner Lega Nord und Alleanza Nazionale lehnten bisher jede Reform kategorisch ab. Als zu Beginn dieser Woche der Regierungschef plötzlich mit dem Vorschlag aufwartete, das Rentenalter von 57 auf 65 Jahre zu erhöhen, schrien die Gewerkschaften umgehend auf. Der christdemokratische Gewerkschafter Savino Pezzotta zeigte sich erbost: "Seit Jahren nervt man uns mit solchen Querschüssen. Wir wollen endlich ein Konzept sehen."

Lega und Alleanza bemühten sich umgehend, Wasser ins Feuer zu gießen. Sozialminister Roberto Maroni schlug finanzielle Anreize für jene vor, die freiwillig länger arbeiten. In diesem Fall sollte die Hälfte der Sozialabgaben aufs Lohnkonto fließen und so jene, die auf den Ruhestand verzichten, mit einer Gehaltserhöhung von rund 30 Prozent belohnen. Alleanza Nazionale will keine Reform ohne Zustimmung der Sozialpartner. Vizepremier Gianfranco Fini wird nicht müde, darauf zu verweisen, dass Maronis Vorschlag nur "einer von vielen" sei.

Die Gewerkschaften begrüßten Anreize für ein freiwilliges Verbleiben am Arbeitsplatz. Doch Pensionsexperten verwiesen darauf, dass das Pensionsalter so nur um durchschnittlich zwei Jahre erhöht werde und dass keine zuverlässigen Berechnungen möglich seien. Finanzminister Giulio Tremonti zeigt sich skeptisch.

Premier Silvio Berlusconi jedenfalls hat sich für den Herbst vorgenommen, seine Partner härter an die Zügel zu nehmen: Ein "Weisenrat" der vier Koalitionspartner bastelt seit Tagen auf einer Almhütte im norditalienischen Lorenzago di Cadore an einem Reformkonzept, das die unterschiedlichen Auffassungen in Sachen Föderalismus, Justiz und Verfassungsänderung auf einen gemeinsamen Nenner bringen soll. Dazu kommt jetzt noch die Pensionsreform.

Viele Beobachter sind sich allerdings einig, dass alles bewährt italienisch mit einem Kuhhandel enden wird. Der Corriere della Sera fragte Mittwoch: "Wird diese Regierung den Mut aufbringen, eine ungerechtes und unhaltbares System endlich umfassend zu reformieren?" (DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2003)