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Gusenbauer: Die Aussage Gehrers sei "das genau falsche Zeichen und in Wirklichkeit die Entmündigung der Menschen und der Jugendlichen".

foto: apa/neumayer

Wien – Der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer hat die jüngsten Aussagen von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) über die Notwendigkeit von Jugendlichen, Kinder in die Welt zu setzen, statt von einer Party auf die andere zu gehen, scharf kritisiert. Im "Sommergespräch" des ORF warf er Gehrer am Dienstag vor, ein "lebensverbietendes Zeichen" zu setzen. Dem gegenüber stehe die SPÖ dafür, "ein lebensbejahendes Zeichen" zu setzen.

Die Menschen wollten ihr Leben und ihre Bedürfnisse selbst in die Hand nehmen und hätten "so allergisch auf Gehrer reagiert". Die Aussage Gehrers sei "das genau falsche Zeichen und in Wirklichkeit die Entmündigung der Menschen und der Jugendlichen".

Gusenbauer weiter: "In einer Zeit, wo Gehrer sagt, Vergnügen für Jugendliche soll es auch nicht mehr geben, werden gleichzeitig nicht die geeigneten Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt, damit die Jugend die Voraussetzung findet, um Lust zu haben, verantwortlich Kinder in die Welt setzen zu können."

Gusenbauer "absolut für Veränderungen" bei der Bahn

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hat die Dienstleistungen bei der Eisenbahn als "in hohem Ausmaß verbesserungsbedürftig" bezeichnet. Im "Sommergespräch" des ORF Dienstag Abend sagte Gusenbauer: "Ich bin absolut für Veränderungen" bei der Bahn. So müsse es ein besseres Service für Bahnkunden und mehr Effizienz geben, um den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Gleichzeitig verteidigte er die 48.000 Eisenbahner. Eine Reform dürfe nicht gegen die Beschäftigten gemacht werden. "Mit einem Drüberfahren erntet man nur Widerstand", notwendig seien ein Kurswechsel und ein Dialog.

Als Vorbild für die ÖBB bezeichnete Gusenbauer die Schweiz. Dort gebe es eine hochwertige Schieneninfrastruktur. Das schlechte Beispiel sei Großbritannien mit der Privatisierung der Bahn. Darauf angesprochen, dass er für Österreich nicht den von der EU vorgezeichneten Weg gehen wolle, meinte der SPÖ-Chef: "Es gibt so viele Fehlentwicklungen in der EU. Man soll sich auch nicht an ideologischen Dogmatik orientieren." Was die ÖBB betrifft, müsste man einmal über "Management-Fehlleistungen" reden. Es stelle sich die frage, wie es möglich sei, dass man über zu viel Personal klage und andererseits 6 Millionen Überstunden im Jahr gemacht würden. Was die Gewerkschaft betrifft, würde diese die Interessen der Beschäftigten vertreten. Generell habe der ÖGB in einzelnen Bereichen sehr gute Reformen entwickelt. Als Klotz am Bein einer reformfreudigen SPÖ sieht Gusenbauer die Gewerkschaft nicht.

Was das Verhältnis der SPÖ zur FPÖ und die jüngste rot-blaue Annäherung betrifft, stellte Gusenbauer klar, dass sich die Freiheitlichen bisher "nicht empfohlen" hätten. Die SPÖ werde den Dialog mit allen führen und auch sachlich zusammenarbeiten, "das heißt aber nicht, dass wir mit jeder Partei unter allen Bedingungen künftig eine Regierungskoalition machen wollen. Die FPÖ ist in jeder einzelnen Sachfrage in den letzten Monaten umgefallen. Jedenfalls wies Gusenbauer die Wortwahl einer Annäherung an die Freiheitlichen zurück, weil die SPÖ ja keine einzige inhaltliche Position verändert habe. Er verurteile weiterhin die ausländerfeindliche Mobilisierung, das Gespräch des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein und die Aussagen Haiders über die Waffen-SS.

Der SPÖ gehe es darum, soziale Gerechtigkeit mit wirtschaftlicher Dynamik zu verknüpfen. Dies bedeute, möglichst vielen Menschen sehr viele Chancen zur Verfügung zu stellen. Da in Zeiten größerer wirtschaftlicher Dynamik immer mehr Menschen auf der Strecke blieben, brauche es auch "eine bedarfsorientierte Mindestsicherung. Wir sollten uns endlich davon lösen, dass Menschen Brosamen-Empfänger sind, sondern feststellen, dass jeder Mensch im Land ein Recht auf Leben und Existenz hat."

Für Pensions-Harmonisierung ab 2004

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hat sich im ORF-"Sommergespräch" am Dienstag für eine Pensions-Harmonisierung ab 2004 ausgesprochen. Dabei sollten die bestehenden Ansprüche aus dem alten System bewahrt und ab dem Stichtag 2004 nur mehr Ansprüche aus dem neuen System entstehen. Damit würde die gesamte Erwerbsbevölkerung von Bauern, Beamten, Gewerbetreibenden und ASVG schrittweise in das neue System hineinwachsen und eine größere Gerechtigkeit entstehen. Außerdem bekräftigte Gusenbauer seinen Vorschlag eines zehnprozentigen Solidaritätsbeitrages von Pensionen, die über der ASVG-Höchstgrenze liegen.

Der Regierung hielt Gusenbauer vor, dass während der schwarz-blauen Koalition die Arbeitslosigkeit um 50.000 Menschen gestiegen sei. Ein klar falscher Weg sei von der Regierung gewählt worden, beim Arbeitslosengeld den Kinderzuschuss zu streichen. "Man kann nicht Kinder von Arbeitslosen dafür bestrafen, dass die wirtschaftliche Situation so schlecht ist."

Auf die Transferleistungen angesprochen meinte Gusenbauer, man könne über verschiedene Facetten reden. Es wäre vernünftiger, für Kinderbetreuungseinrichtungen für alle zu sorgen und die Zuverdienstgrenze für Frauen beim Bezug des Kindergeldes anzuheben, als das Kindergeld selbst zu erhöhen.

Vorstellen kann sich Gusenbauer auch eine Wertschöpfungsabgabe, "wenn das ein Ersatz für die sonst hohen Lohnnebenkosten ist". Dies wäre ein sinnvoller Weg für Österreich und würde den Wirtschaftsstandort stärken, weil der Faktor Arbeit entlastet werden könnte.

Der schwarz-blauen Koalition hielt Gusenbauer vor, in den letzten drei Jahren beim Wirtschaftswachstum in Europa vom vierten auf den achten Platz abgesunken zu sein. Es wäre wichtig, in Forschung und Entwicklung zu investieren, wobei der SPÖ-Chef einen Kurswechsel verlangte. Man dürfe sich nicht mit 1,9 Prozent zufrieden geben, sondern müsste vier Prozent des wirtschaftlichen Reichtums für Forschung und Entwicklung ausgeben.

Neuerlich bekräftigte Gusenbauer die Forderung nach einer Steuerreform schon 2004. Er trete für eine Steuersenkung des untersten Einkommensdrittels ein, die im Schnitt 600 Euro pro Jahr ausmachen solle. Die ÖVP habe vor der Wahl mit Brief und Siegel 1.000 Euro für jeden versprochen, aber dann gemeint, dass für den Kleinen Mann genug getan worden sei. Die Volkspartei wolle den Spitzensteuersatz senken, davon würden 4,6 Prozent der Bevölkerung profitieren, sage aber nein zu einer Entlastung des Mittelstandes und der unteren Einkommen. "Da sieht man klar den Unterschied." (APA)