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Gerade weil die Franzosen wissen, dass es ohne Euro noch schlimmer wäre, wollen sie den Euro.

Foto: epa/valat

Der Euro ist an sich eine französische Erfindung. Die europäische Binnenwährung war der Preis, den Ex-Präsident François Mitterrand von Kanzler Helmut Kohl 1990 für seine Zustimmung zur Wiedervereinigung Deutschlands verlangte. Mehr oder weniger unbewusst wollten die Franzosen damit sicherlich die Deutsche Mark schwächen.

Doch es ist anders gekommen. Die Deutschen exportieren heute dank Euro in die ganze Welt, während sie es mit der bedeutend härteren Mark nicht so leicht gehabt hätten. Die Franzosen leiden hingegen zunehmend unter der Binnenwährung, die für ihre Begriffe viel zu stark ist.

Entsprechend laut ist die Kritik in Paris an der Europäischen Zentralbank (EZB) und dahinter der Deutschen Bundesbank. Auch Präsident François Hollande zeigt sich über den hohen Kurs der Binnenwährung besorgt. Aber er beißt bei den Währungshütern in Frankfurt auf Granit: Sie weigern sich standhaft, euroschwächende Maßnahmen zu ergreifen.

Forderung: Euro-Austritt

Das ist Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, denen eine supranationale Binnenwährung ohnehin ein Gräuel ist. Die Präsidentin des Front National (FN), Marine Le Pen, verlangt offen einen Austritt aus dem Euro, das heißt die Rückkehr zur nationalen Währung. Den Franc würde sie sofort abwerten, um die Exportwirtschaft anzukurbeln.

In Paris erhält die Rechtspopulistin mit dieser Forderung Sukkurs von unerwarteter Seite: Vier bekannte Pariser Journalisten heizen den laufenden Wahlkampf mit einem Buch an, das den bezeichnenden Titel "Den Euro zertrümmern, um die EU zu retten" trägt. Das ausdrücklich proeuropäische Quartett versucht statistisch zu belegen, dass das Wirtschaftswachstum der Euro-Staaten nach Einführung der Binnenwährung nachgelassen habe; dasjenige der anderen EU-Staaten wie Schweden oder England habe hingegen stärker zugenommen.

Höhere Arbeitslosigkeit

Das Gleiche gilt laut den vier Journalisten Franck Dedieu, Benjamin Masse-Stamberger, Béatrice Mathieu et Laura Raim für die Arbeitslosigkeit: Diese sei vor allem im Euroraum von 8,5 auf 12,5 Prozent gestiegen. In Frankreich beträgt sie gut elf Prozent.

Ex-Wirtschaftsminister Jean Arthuis wendet ein, der Euro sei keineswegs der einzige Grund, warum Frankreichs Wirtschaft lahme: Deutschland habe schließlich auch den Euro, aber nur eine halb so hohe Arbeitslosigkeit. Dass die französischen Produkte international nicht mehr wettbewerbsfähig sind, sei vor allem hausgemacht.

Auch wenn die EU und der Euro einmal mehr die Prügelknaben der französischen Europawahlkampagne bilden, sehen die Franzosen in Wahrheit keine valablen Alternativen dazu.

Frust über Flaute

Im Rückblick sagen sich zwar viele, es sei ein Fehler gewesen, den exportschwächenden Euro einzuführen. Sie wissen aber, dass Frankreich bei einer Abschaffung in eine gravierende Rezession stürzen würde. Benoist Apparu, ein Abgeordneter der bürgerlichen Partei UMP, schätzt, dass sich Importgüter wie Benzin oder Handys auf einen Schlag um mehr als 20 Prozent verteuern würden, wenn Frankreich zum Franc zurückkehren würde. "In Sachen Staatsschuld müsste Frankreich zudem von einem Tag auf den anderen 400 Milliarden Euro zusätzlich zurückzahlen", rechnet Apparu vor.

Laut einer Umfrage sind 79 Prozent der Befragten gegen die Rückkehr zum Franc. Das Wagnis eines Euro-Ausstiegs scheint ihnen in Zeiten der Wirtschaftsflaute schlicht zu groß. Das heißt nicht, dass sie begeisterte EU-Anhänger geworden wären. EU-Gegnerin Le Pen dürfte bei den Europawahlen im Gegenteil einen neuen Erfolg feiern; einzelne Umfragen sehen ihren Front National sogar als stärkste Partei vor der UMP und den regierenden Sozialisten. Dahinter steht Frust über die aktuelle Wirtschaftsflaute. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 17.5.2014)