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Die 90-jährige Hiraben versieht ihren Sohn, Wahlsieger Narendra Modi, mit einem Segenszeichen aus Zinnober.

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Anhänger der Hindu-nationalistischen BJP posieren mit einem Ausschnitt von Spitzenkandidat Narendra Modi.

Foto: Reuters/Amit Dave

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BJP-Chef Narendra Modi.

Foto: AP Photo/Saurabh Das)

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Die Auszählung der Stimmen begann am Freitag.

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Neu-Delhi - Einen solchen Triumph hatte niemand erwartet - wohl nicht einmal der Sieger selbst. Als am Freitag die ersten Ergebnisse über die Bildschirme flackerten, verschlug es selbst westlichen Diplomaten die Sprache. "Das ist verrückt." Bei den Wahlen in Indien hat der Hindu-Nationalist Narendra Modi einen Erdrutschsieg geholt, der sogar die kühnsten Prognosen in den Schatten stellte.

Modis rechte Hindupartei BJP fuhr mit mindestens 281 Sitzen den höchsten Sieg seit Jahrzehnten ein und kann damit alleine regieren. Die Kongresspartei der Gandhis erlitt ein nie dagewesenes Debakel. Einige Medien sahen bereits das Ende von Indiens "Grand Old Party" gekommen.

Damit steht Indien nach zehn Jahren nicht nur vor einem Machtwechsel, sondern vor einem Wendepunkt. "Heute erwacht ein neues Indien", jubelte die Times of India. Modi wird als Regierungschef Manmohan Singh ablösen, der zuletzt nur noch wie das Feigenblatt einer korrupten Regierung und der Statthalter der Gandhi-Dynastie wirkte. "Indien hat gewonnen", twitterte Modi. Im ganzen Land tanzten, sangen und trommelten BJP-Anhänger auf den Straßen.

Mit Modi, der als Macher und knallharter Machtmensch gilt, betritt ein neues politisches Schwergewicht die Weltbühne. Dabei war er vor kurzem noch ein Paria, ein Geächteter. Seit unter seiner Regierung im Bundesstaat Gujarat im Frühjahr 2002 hunderte Muslime hingemetzelt wurden, verweigern ihm westliche Staaten, allen voran die USA, die Einreise.

Während sich die USA nach wie vor winden, erklärte der deutsche Botschafter in Delhi, Michael Steiner, bereits: "Als gewählter Premierminister Indiens braucht Modi kein Visum für Deutschland. Er ist willkommen."

Angst vor Rechtsruck

Modis kometenhafter Aufstieg zum neuen starken Mann der mit 1,2 Milliarden Einwohner zweitgrößten Nation der Welt weckt jedoch auch Unbehagen. Angst vor einem "Hindufaschismus light" und einem Rechtsruck geht um.

Vor allem Muslime, Christen und andere religiöse Minderheiten fürchten um ihren Platz im multireligiösen Land. Aber die Massen haben ihn nicht gewählt, weil sie sich eine Hindu-Diktatur wünschen: Sie haben ihn gewählt, damit er die Wirtschaft wieder in Schwung bringt.

Noch vor zehn Jahren wurde Indien in einem Atemzug mit China genannt, glänzte das Land mit fetten Zuwachsraten, und die Menschen träumten vom Wohlstand. Doch die Kongressregierung verspielte die Chancen. Die Wirtschaft brach ein, die Mittelschicht stürzte wieder in Armut und lähmte das Land. Dafür bekam die Gandhi-Partei nun die Quittung.

"Modi bedeutet Hoffnung", sagen seine Fans. Er verheißt ein neues, starkes Indien. Gebt mir 60 Monate Zeit, bat er, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Zugleich mühte er sich, Ängste der Minderheiten zu zerstreuen: Er werde der Regierungschef aller Inder sein, versprach er.

Sein Sieg birgt Chancen und Risiken zugleich. Erstmals seit Jahrzehnten besitzt damit eine Partei wieder eine Regierungsmehrheit und braucht keine Partner. Damit kann Modi auch schmerzhafte Reformen durchsetzen. Doch er kann auch weitaus autoritärer regieren. Einige Analysten sehen bereits einen "indischen Putin" erstarken, der seine Macht auf Jahrzehnte zementiert.

Verhältnis zu Pakistan

In der Außenpolitik erwarten Beobachter keinen gravierenden Kurswechsel. Horrorszenarien von einem nuklearen Konflikt mit Pakistan scheinen eher mediale Fantasie. Immerhin war es eine BJP-Regierung, die 2003 die Friedensgespräche mit Pakistan startete. Auch Modi hat bereits versichert, er wolle das Verhältnis zu Pakistan verbessern. Die wirkliche Gefahr geht derzeit eher von Pakistan aus, das auf Krawall gebürstet scheint. Dann müsste Modi reagieren.

Während die BJP im Siegestaumel schwelgte, wirkte die Kongresspartei wie vom Donner gerührt. Modis Erstarken könnte das Ende der politischen Dominanz der Gandhis über Indien besiegeln, die das Land die meiste Zeit seit der Unabhängigkeit regiert hatten.

Fast konnte er einem leid tun, so blass und ungelenk hatte "Kronprinz" Rahul Gandhi im Duell mit Modi gewirkt. Obwohl die Kongresspartei ihn verteidigte, nahm Rahul die Verantwortung auf sich. Schon am Freitag wurden Rufe laut, seine Schwester Priyanka solle die Führung übernehmen. (Christine Möllhoff, DER STANDARD, 17.5.2014)