Brüssel - Der frühere belgische Premierminister Jean-Luc Dehaene (73) ist am Donnerstag in Frankreich an den Folgen eines Sturzes gestorben. Dies teilte seine Partei, die konservative Europäische Volkspartei (EVP), in Brüssel mit. Dehaene, sowohl politisch als auch körperlich ein Schwergewicht, war von 1992 bis 1999 Regierungschef seines Landes.

Seit einer Operation wegen Bauchspeicheldrüsenkrebs vom Februar war er sehr geschwächt. Bis zu seinem Tod war Dehaene zehn Jahre lang Mitglied des Europaparlaments.

Krisenmanager

Dehaene genoss vor, während und nach seiner Amtszeit einen Ruf als unerschütterlicher Krisenmanager. "Unser Land verliert einen außergewöhnlichen Staatsmann", erklärte der sozialdemokratische Regierungschef Elio Di Rupo am Donnerstag. Außenminister Didier Reynders von den frankofonen Liberalen erklärte über den Kurznachrichtendienst Twitter: "Eine starke Persönlichkeit aus der allerersten Reihe verlässt uns." Der christdemokratische Ministerpräsident Flanderns, Kris Peeters, bezeichnete seinen Parteifreund Dehaene als "den Vater des föderalen Belgiens".

Dehaene hatte als Regierungschef die Aufteilung Belgiens in einen Bundesstaat durchgesetzt. Seine Regierung wurde 1999 vor dem Hintergrund öffentlicher Erregung über den Fall des Kindermörders Marc Dutroux und über Korruptionsvorwürfe gegen andere Regierungsmitglieder abgewählt. Danach arbeitete Dehaene als Vizepräsident des EU-Konvents maßgeblich an der Formulierung des später gescheiterten Entwurfs für eine EU-Verfassung mit.

Im Oktober 2008 wurde er von der Regierung gerufen, um wieder Ordnung in den angeschlagenen Finanzkonzern Dexia zu bringen. Und als im November 2009 die Regierungsbildung in Belgien blockiert war, wurde Dehaene vom König beauftragt, mit den streitenden Parteien einen Kompromiss zu suchen. (APA, 15.5.2014)