In der Namib-Wüste ist die Luft so trocken, dass nicht einmal die toten Bäume verrotten. Mehr Vegetation gibt es in den Randgebieten der Wüste. Zum Beispiel im Namid-Rand-Reservat.

Foto: Stephan Hilpold
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Tiere und Akazien schauen am Straßenrand von Wolwedans.

Foto: Stephan Hilpold
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Anreise & Unterkunft

Anreise: Zum Beispiel mit South African Airways von/bis Frankfurt oder München über Johannesburg.

Unterkunft: In Wolwedans gibt es mehrere Camps, ebenso im Tsauchab River Camp.

Info: www.namibia-tourism.com; Abendsonne Afrika; South African Airlines

Grafik: DER STANDARD

Sechs Giraffen gibt es im Süden, zwei im Norden. Ob sie sich je begegnet sind? Natürlich, sagt Elias Viyani, allzu oft aber nicht. Süden und Norden, das sind hier in Wolwedans nämlich Begriffe, mit denen man als Besucher lernen muss umzugehen.

Süden, das ist dort, wo Kameldorn- und Akazienbäume auf große Salzpfannen folgen. Wo sich die großen, roten Dünen aus der Namibwüste wie erstarrte Lawinen an das Buschland schmiegen. Ein karges, ein kahles Stück Land. Der Norden, das ist dort, wo Federhafergras auf Kameldornbäume trifft. Wo sich der Sand der Namibwüste in seinem satten Rot auftürmt und die kahlen Geröllfelsen der Erhebungen, die man hier Berge nennt, in den Himmel wachsen. Ebenso kahl. Ebenso karg.

Ob Süden oder Norden, Westen oder Osten: Auf den ersten Blick schaut das Land für den Besucher, den es nach einer langen Fahrt über holprige Pisten hierher verschlägt, überall ähnlich aus. Ein riesiges Naturschutzgebiet, eingezwängt zwischen der Wüste und dem namibischen Hochland. 200.000 Hektar groß. Und wo man auch hinblickt, ist keine Menschenseele zu sehen. "Ich musste mich auch erst einmal gewöhnen", sagt Elias, der aus dem weitaus bevölkerungsreichen Norden Namibias, aus Rundu am subtropischen Okavangodelta, hier herkam. Er weiß ganz genau, wie lange er schon im Namid-Rand-Naturreservat ist. Zwei Jahre und vier Monate. Als ob er jeden Tag davon gezählt habe.

Elias Viyani ist einer der Ranger, die sich in Wolwedans um die wenigen Besucher kümmern. Wolwedans: Das ist eine Mischung aus Öko- und Luxusressort und die einzige Möglichkeit, in diesem Naturschutzgebiet zu übernachten. Elias bringt die Gäste zu den Zebras und Springböcken, zu den Oryxantilopen und Streifengnus. Und wenn man Glück hat, auch zu den Giraffen. Heute sind allerdings die etwas kleineren Tiere dran. Nicht die "Big Five", die gibt es in diesem Teil Namibias sowieso nicht. Sondern die "Little Five": Eidechse, Chamäleon, Schlange, Spinne, Gecko.

Tief in der Erde

Die Dancing White Lady macht den Anfang: Elias stoppt den Jeep und deutet auf ein Häuflein roter Erde zwischen den Federhaferbüscheln. Das unbedarfte Auge sieht nicht viel, oder besser gesagt gar nichts, Elias legt dagegen mit wenigen ruhigen Handgriffen eine in die Erde führende Röhre frei, an deren Ende eine weiße Spinne sitzt. An die Oberfläche kommt die Dancing White Lady nur, um sich an Insekten sattzufressen, ansonsten sitzt sie in ihrer Röhre. "Weil es ein paar Zentimeter unter der Erde viel kühler ist", erklärt der Guide. Jetzt, Ende März, ist es auch knappe zwei Meter drüber ganz gut auszuhalten.

In den vergangenen Wochen hat es einige Male geregnet, die Savanne präsentiert sich in einem milchigen Grün. In den Sommermonaten (dem mitteleuropäischen Winter) klettern die Temperaturen im Namib-Rand-Reservat aber locker auf 45 bis 50 Grad. Es ist ein unwirkliches, atemberaubend schönes Stück Land, das ganz den Tieren gehört. Menschen sind hier nicht vorgesehen. Der Deutschnamibier Albi Brückner und Sohn Stephan haben es in den vergangenen 30 Jahren zum größten privaten Naturschutzgebiet Afrikas gemacht. Farmer, die das Gebiet bewirtschafteten, hatten es durch Weidewirtschaft und Jagd aus dem Gleichgewicht gebracht - bis sie irgendwann nicht mehr davon leben konnten. Nach und nach kaufte es Brückner auf und machte es zu einem der Vorzeigeareale Namibias.

Nicht dass man in diesem Land das Gefühl hätte, es mit einem gefährdeten Ökosystem zu tun haben. Nur knapp mehr als zwei Millionen Einwohner teilen sich ein Areal, das doppelt so groß ist wie Deutschland. Wilderei und intensive Viehzucht hinterlassen in der kargen Landschaft aber schneller ihre Spuren als anderswo. Davon weiß auch Johan Steyn ein Lied zu singen, der drei, vier Stunden Fahrtzeit von Wolwedans entfernt am Tsauchab-Fluss eine 7000 Hektar große Farm und das Tsauchab River Camp betreibt.

Zelten im Canyon

Wobei der Begriff Fluss ein wenig in die Irre führt. Einige größere Pfützen sind im Canyon, wo wir unsere Zelte aufschlagen, vom letzten Regen übrig geblieben, ansonsten ist das breite Flussbett staubtrocken. In den Ästen turnen die Paviane herum, auf den Felsen sonnt sich ein ganzes Rudel an Klippschliefer, die ein bisschen wie Murmeltiere aussehen. Etwa 100 Kilometer weiter wird der Tsauchab in der Namibwüste versanden. Auf der Farm von Johan Steyn darf er aber hin und wieder zumindest so tun, als ob er ein richtiger Fluss wäre. "Beim letzten Regen war das ganze Flussbett hier unter Wasser", sagt Johan und zeigt auf das etwa 100 Meter breite, von Sträuchern und riesigen Feigenbäumen bewachsene Bett.

Die Farm, die der ehemalige Banker aus Windhoek von seinem Vater übernommen hat, ähnelt in Größe und Bewirtschaftung den meisten hier in der Gegend. Früher einmal weideten in den trockenen Ebenen und den felsigen Bergzügen in erster Linie Karakul-Schafe. Das Fell der Lämmer vermarktete man als Persianer. Als die Proteste der Tierschützer aber immer größer wurden, stellte man auf Tourismus um. Neben diversen Campingplätzen vermietet man Bungalows an Gäste, die lieber von Geparden und Hyänen umgeben sind als von anderen Menschen.

Der nächste Nachbar ist viele Kilometer entfernt, die drei Kinder werden von einer eigenen Hauslehrerin in der kleinen Schule hinter dem Farmgebäude unterrichtet. In die Stadt, meint Johan, fahre er nur, wenn es sich nicht vermeiden lasse. "Das Leben hier ist hart", sagt der großgewachsene Mann mit dem breitkrempigen Sonnenhut und den oberschenkelkurzen Hosen, und fährt einen dann in seinem Jeep auf das nächstgelegene Bergplateau. Die Springböcke und Bergzebras sind von hier oben nur mehr als kleine Punkte wahrnehmbar, eine Pavianfamilie hantelt sich über den nahen Bergkamm. Rechtzeitig zum Sonnenuntergang öffnet Johan eine Flasche Windhuk-Bier: "Es ist hart hier, aber ich möchte nirgendwo anders leben." (Stephan Hilpold, DER STANDARD, Rondo, 16.5.2014)