Bild nicht mehr verfügbar.

Die osteuropäischen Länder spüren die politische Großwetterlage.

Foto: apa/fohringer

Die Jahrestagung der Osteuropabank EBRD in Warschau hätte heuer zum ersten Mal seit Jahren zu einer Schönwetterveranstaltung werden sollen. Der Eurozone geht es schließlich deutlich besser, und auch die Prognosen für die Länder in Osteuropa sind in den vergangenen Monaten zunehmend optimistischer geworden.

Doch weit gefehlt: Beim Auftakt des Treffens der Finanzminister und Notenbanker aus den 64 EBRD-Mitgliedsländern dominierte am Mittwoch wieder das Krisengerede. Der polnische Premier Donald Tusk warnte vor einem kompletten Staatszerfall der Ukraine, und die Ökonomen der EBRD ließen mit einer düsteren Wachstumsprognose aufhorchen. Demnach wird der Konflikt zwischen der EU und Russland zahlreiche Länder in der Region härter treffen als gedacht.

Noch im Jänner waren die EBRD-Ökonomen davon ausgegangen, dass die Volkswirtschaften in Osteuropa und Zentralasien heuer um 2,7 Prozent wachsen werden. Das wäre ein deutlicher Schub, verglichen mit dem vergangenen Jahr gewesen. Die EBRD hat ihre Prognose nun nahezu halbiert, sie geht nur mehr von einem Plus von 1,4 Prozent aus.

Ukraine hart getroffen

Am deutlichsten nach unten revidiert wurden die Werte für die Ukraine: Die Kämpfe im Osten, und der Stillstand zahlreicher Fabriken werden dafür sorgen, dass das Land heuer in eine Rezession schlittert. Die ukrainische Wirtschaft soll heuer um sieben Prozent schrumpfen.

Die ökonomischen Auswirkungen des Konfliktes greifen inzwischen auch auf Russland über. Bereits eingesetzt hat eine Kapitalflucht, allein im ersten Quartal 2014 haben Investoren und Anleger 64 Milliarden Dollar (47 Milliarden Euro) abgezogen. Dieser Trend dürfte anhalten. Die russische Wirtschaft wird laut EBRD heuer nicht wachsen, im Jänner ging die EBRD von einem Plus von 2,5 Prozent aus. Auch 2015 soll Russlands Wirtschaft stagnieren.

Dabei sind es noch gar nicht die Sanktionen, die Investoren verschrecken. Bisher in Kraft sind ja in der EU nur Kontosperren und Einreiseverbote für einige russische Staatsbürger. Doch die Angst vor einem veritablen Wirtschaftskrieg zwischen der EU und Russland verunsichert zahlreiche Unternehmen und Konsumenten.

Optimistische Annahme

Das wirkt sich auch in weiteren Staaten, ja selbst in der EU aus. Da sind zunächst die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen die deutlich mehr Waren nach Russland exportieren als die übrigen EU Länder. Ein Fünftel der Ausfuhren Litauens geht nach Russland und hier rechnet die EBRD mit einem starken Rückgang in den kommenden Monaten. Ähnlich dürfte es Georgien ergehen, weshalb die EBRD die Prognosen für alle erwähnten Staaten nach unten revidiert hat.

Bulgarien wiederum dürfte ein Einbruch der Exporte in die Ukraine treffen. Andere Staaten wie Armenien werden darunter leiden, dass die in Russland lebenden Armenier stagnationsbedingt weniger Geld in ihre Heimat rücküberweisen werden können.

Dabei arbeitet die EBRD aus heutiger Sicht mit optimistischen Annahmen: Die in London ansässige Osteuropabank geht nämlich bei ihren Berechnungen davon aus, dass sich die Krise in der Ukraine nicht weiter verschärft und die EU keine Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließt. Sollten harte Sanktionen kommen, sehen die Szenarien deutlich schlimmer aus, sagte EBRD-Chefökonom Erik Berglof.

Furcht vor Strafmaßnahmen

Sollten Wirtschaftssanktionen gegen Russland tatsächlich kommen, dürfte dies vor allem den Finanzsektor treffen, erwarten Experten. "Wenn sich die EU hier wirklich auf strenge Strafmaßnahmen einigt, würde das grenzüberschreitende Bankgeschäfte mit Russland nahezu unmöglich machen" , sagte die Bankenexpertin der EBRD, Piroska Nagy, dem STANDARD, "dieses Szenario bereitet uns große Sorgen."

Hart treffen würden Finanzsanktionen vor allem Österreich: Die Raiffeisen Bank International (RBI), aber auch die Bank Austria sind in Russland massiv engagiert. Die RBI hat in der Ukraine und in Russland Kredite im Wert von mehr als 13 Milliarden Euro vergeben, bei der Bank Austria ist es sogar etwas mehr. Unabhängig von der Ukrainekrise dürfte das Wachstum laut EBRD in Ungarn, Slowakei und Slowenien heuer anziehen. (András Szigetvari aus Warschau, DER STANDARD, 15.5.2014)