Es scheint üblich zu sein, dass sich die Rechtsmeinung beamteter Juristen jener ihrer religiös affinen Vorgesetzten anzuschließen hat bzw., dass sie im Fall einer Abweichung nicht zählt. Die Geschichte aus Atzenbrugg um die Einübung von Erstkommunionsliedern im Mathe- und Musikunterricht statt in Religion erinnert mich an eine Reihe von Beschwerden meiner Familie, die letztlich zu einem Verfahren bei der Volksanwaltschaft geführt haben. Es war sozusagen ein Lehrstück, mit welchen Methoden ein Bürgeranliegen von Behörden  verschleppt, notorisch missverstanden und zuletzt brutal abgewürgt werden kann.

Der im Jahr 2000 in Kraft getretene Lehrplan für Hauptschule und AHS überraschte uns nämlich mit wunderbaren Formulierungen, die in weltanschaulicher und religiöser Hinsicht eine ausgewogene Information der Schüler und eine kritische Auseinandersetzung fordern. Da die Kinder alle zunächst interessehalber von Religion nicht abgemeldet waren, wir im konfessionellen Religionsunterricht aber diese kritische Auseinandersetzung nicht hinreichend verwirklicht sahen, legten wir mit Verweis auf die genannten Lehrplanforderungen Beschwerde ein: zunächst in der Schule, dann im Landesschulrat, im Bildungsministerium – eines nach dem anderen wurde ergebnislos abgewimmelt, es wurde an der Sache vorbei argumentiert oder wir sind überhaupt ohne Antwort verblieben. Zuletzt blieb nur noch der Weg zur Volksanwaltschaft, damals mit dem erzkatholischen Ewald Stadler als Ressortzuständigen besetzt.

Trotz dieser schlechten Vorzeichen gab es zunächst einen beachtenswerten Erfolg: Ministerialrat Dr. Gerhard Peternell, Leiter des Geschäftsbereiches Stadlers, kritisierte einerseits, in welcher Weise die vorher befassten Behörden den Fall verschleppt hatten, sah unser Anliegen voll ein und formulierte es juristisch so unmissverständlich, dass es auch im Bildungsministerium verstanden werden musste, wohin er es als Feststellung eines offensichtlichen Missstandes (Nichterfüllung der Lehrpläne) adressierte.

Der nächste Brief an uns kam dann von Stadler persönlich, und er war sehr lang. Ausführlich zitierte er alle Gesetzesstellen, auf die wir uns berufen hatten, sodann alle Gesetze, die Grundlage des schulischen Religionsunterrichts sind. Er hielt fest, "dass kein Missstand erkennbar sei" und schloss mit der „Hoffnung, uns durch sein Einschreiten dienlich gewesen zu sein".

Über das Schicksal Dr. Peternells wurde uns nichts mehr bekannt, vielleicht stand er ohnehin knapp vor der Pension und hatte es deswegen gewagt, noch einmal kritisch zu sein. Die Parallele zu Dr. Freudensprung, der ja auch bald durch Pensionierung erlöst sein wird, ist auffällig.

Legale und illegale religiöse Privilegien

Das Konkordat mit allen Folgen und andere gesetzlich abgesicherten Privilegien der Kirchen und Religionen mag man lieben oder nicht – sie sind Realität, sind legal und wären nur mit parlamentarischen Mehrheiten zu ändern, die es so bald nicht geben wird.

Daneben gibt es aber noch einen Graubereich, in dem offensichtlich illegal, also an bestehenden Gesetzen vorbei, weitere Vorteile den Kirchen zugeschanzt werden: In der aktuell besprochenen Schule durch religiöse Inhalte in anderen Fächern, in unserem Fall (und wohl auch anderswo), indem die konfessionellen Sichtweisen unhinterfragt bleiben.

Man kann schließen, dass die Argumentationssituation pro Religion nicht zum Besten steht, wenn nicht einmal ihre legalen Vorrechte ausreichen. Leider wurden im vorjährigen Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien nur legale Privilegien thematisiert.

Religiöse Suggestion per Lied

Mir geht die aktuelle Geschichte über die religiösen Lieder in der Schule in Atzenbrugg insofern nahe, als ich mich halbberuflich mit Kirchenmusik, insbesondere Liedgesang, befasse. Von daher weiß ich, wie suggestiv Kirchenliedtexte sind, und wie intensiv sie gerade gesungen ins Gemüt gehen können. Nicht ohne Grund wird in Kirchen viel gesungen: Glaube wird so besonders effektiv vermittelt, und Kinder im Erstkommunionsalter sind besonders gut formbar. Der Protest der Atzenbrugger Eltern ist also weniger wegen versäumter Mathematik berechtigt, es geht primär darum, Kindern, die von ihren Eltern  konfessionslos erzogen werden, nicht das Gehirn zu vernebeln.

Machtpolitik

Religion als nützliche Basis politischer Macht ist seit Jahrtausenden hinlänglich bekannt. Wie auch der Umstand, dass die Politik dies in Abrede stellt. Wenn ein Landesschulratspräsident die Versetzung eines abweichlerischen Juristen mit Vertrauensverlust begründet und höhere Weisungen in Abrede stellt, spricht das für sich. (Leserkommentar, Hanna Grezda, derStandard.at, 14.5.2014)