Lotuslaternen machen die Nacht zum Tag.

Mehr Bilder gibt's in einer Ansichtssache.

Foto: Alexander Reisenbichler

Auf südkoreanischen Kalendern finden sich drei Jahreszahlen, 2014, 2558 und 4347. Vor 2558 Jahren wurde Buddha geboren, 2333 v. Chr. – also im Jahr 4347 - bestieg Tangun, der Herrscher des ersten koreanischen Reiches, den Thron von Go-Choseon. In Thailand und Laos wurde Buddha vor 2557 Jahren geboren, die zeitlichen Diskrepanzen sind aber nicht nur auf das Jahr beschränkt, auch Tag und Monat hängen von dem verwendeten Kalender ab. In Südkorea fällt der "Tag an dem Buddha kam" (Bucheonim osin nal) zumeist auf Anfang Mai.

Da sich die meisten buddhistischen Klöster in den Bergen befinden - während der konfuzianistisch geprägten Choseondynastie (1392-1910) war es buddhistischen Mönchen verboten Städte zu betreten, - karren unzählige Busse Buddhisten und Nicht-Buddhisten zu den oft entlegenen Klöstern im Grünen. Die Wochen vor diesem größten buddhistischen Fest sind dem Herstellen von Lotuslaternen (buntes Papier wird auf ein Drahtgestell geklebt, oft werden aber auch wiederverwendbare Laternen aus Plastik oder Papier verwendet) gewidmet. Tempel- und Klöstergebäude werden blitzblank geputzt, man möchte das Kloster von seiner schönsten Seite präsentieren, ist dieser Tag doch auch gleichzeitig die größte Einnahmequelle dieser buddhistischen Institutionen. Die bunten Lotuslaternen werden auf dem Weg zum Kloster, im Klosterhof und in den Tempelgebäuden aufgehängt, am unteren Ende wird eine Karte befestigt, auf die der Name des Spenders und ein Wunsch geschrieben wird. Der Preis für eine kleine Laterne liegt bei ungefähr 30 US-Dollar, für größere Exemplare muss man 50 US-Dollar ausgeben. Man darf diese jedoch nicht mit nach Hause nehmen, sie bleiben im Kloster. Am Abend wird eine Kerze auf das Drahtgestell in der Laterne gesteckt und lässt die Nacht zum Tag werden.

Wasserbad im Kloster

Im Silsang-Kloster beginnt das Fest am Morgen, unzählige Gläubige und Besucher überschwemmen den mit buddhistischer ruhiger Musik beschallten Klosterhof und stellen sich vor der Hauptbuddhahalle an, um den jungen Buddha, der in einer von einem Elefanten getragenen Lotusblume sitzt, mit Wasser zu übergießen. Als Königin Maya Buddha geboren hatte, wurden sie von zwei Wasserstrahlen aus dem Himmel gebadet, Buddha tat sieben Schritte und deutete mit je einem Finger nach oben und unten und sprach: "Zwischen Himmel und Erde bin ich der Mächtigste!"

Um die Mittagszeit findet sich eine lokale Samulnori-Gruppe ein, eine Musikgruppe mit vier traditionellen, zumeist Trommelinstrumenten. Manchmal werden außerhalb des Tempels auch Makkoli und vegetarische Beilagen wie Kimchi angeboten, am Nachmittag wird ein Kinderflohmarkt veranstaltet, bei dem die Kinder gebrauchte Spielsachen für umgerechnet 10 Cent verkaufen und kaufen. Auf dem Weg zum Kloster haben viele kleine Stände geöffnet, die selbst gemachten Honig, Säfte, Bergkräuter und vor allem medizinische Pflanzen und Wurzeln verkaufen. An anderen Ständen kann man Teegeschirr, buddhistische Schlüsselanhänger und Kleider kaufen.

Nach der zwanzig- bis dreißigminütigen Abendmesse, die an diesem Tag vor dem Tempel abgehalten wird, gehen die Mönche und alle Anwesenden einmal rund um den Klosterhof, dann werden die Kerzen angezündet und ab ungefähr 19 Uhr finden verschiedene Musik- und Tanzvorstellungen statt. Zuerst spielen die Kindergartenkinder, dann Volks- und Mittelschüler und verschiedene andere lokale sing- und tanzbegabte Leute. Manchmal wird auch eine Band eingeladen. In diesem Jahr wurde das Fest aufgrund des Schiffsunglücks der Sewol, bei dem mehr als 300 Leute, zumeist Jugendliche, ums Leben gekommen sind, sehr simpel gehalten. Es gab keine Samulnorimusik, keinen Flohmarkt und auch das Musikprogramm wurde abgesagt.

Keine friedliche Koexsitenz der Religionen

Konfuzianismus wird heute nicht als Religion praktiziert, die meisten Südkoreaner feiern aber das konfuzianistisch geprägte Neujahrs- und Erntedankfest und treffen sich auch zu den Sterbetagen der Eltern bzw. Großeltern. Sie führen die vorgeschriebenen Rituale durch, jedoch hat das nichts mit Glauben in einem religiösen Sinne zu tun, sondern ist eher mit Allerheiligen und Allerseelen vergleichbar, ein Gedenktag an die Ahnen und Verstorbenen.

Schamanismus wird auch heute noch praktiziert, viele Leute mit psychischen Problemen suchen Schamanen auf um Heilung zu erfahren, andere lassen sich die Zukunft voraussagen, entweder von Schamanen oder Wahrsagern.

Den Rang um Platz zwei und drei machen sich Christen und Buddhisten streitig. Platz eins geht an Atheisten, doch muss man bei Christen grundsätzlich zwischen Protestanten und Katholiken unterscheiden. Katholiken sind zumeist sehr offen, nicht nur in Bezug auf Religion sondern auch bei Politik und Kultur. In der Zurück-aufs-Land-Bewegung in Sannae, eine allgemein sehr alternative Bewegung, gibt es keine Protestanten, dafür aber einige Katholiken, die teilweise sogar in buddhistischen Einrichtungen arbeiten und ohne Probleme an buddhistischen Feiern teilnehmen.

Das trifft leider auf die Mehrheit der protestantischen Christen nicht zu, die sehr strenggläubig bis hin zu offen fundamentalistisch sind und koreanische traditionelle Feste und Einrichtungen, die im Widerspruch zum Christentum stehen, strikt ablehnen. Leider beschränkt sich diese Ablehnung nicht nur auf Worte, Taten folgten. Seit Beginn der 1980er-Jahre wurden Tempel angezündet, verwüstet und Messen abgehalten, in denen für den Untergang des Buddhismus gebetet wurde, wie dies unter anderem 2006 der Fall war. Der damalige konservative Präsident Lee Myung-bak schickte sein Gebet per Video an diese Versammlung (die Situation beruhigte sich wieder, als er drei Jahre später an einer buddhistischen Konferenz teilnahm). 2009 wurde ein Tempel auf einer Insel neben Yeosu angezündet und vollkommen zerstört. 2012 wurde ein Protestant per Videokamera (CCTV) dabei aufgenommen, wie er im Hwaeomsa-Kloster ein Eingangstor angezündet hat, der protestantische Priester Seong urinierte in die Dharmahalle im Donghwa-Kloster und verunstaltete buddhistische Portraits, protestantische Gruppen sangen in einem Kloster Lieder, in denen sie für den Untergang des Buddhismus beteten und stellten das Video auf Youtube. Millionenschwere Finanzskandale verschiedener Kirchen erscheinen dagegen fast harmlos.

Bekehrung und Geiselnahme

Vor der Rhetorik einiger protestantischer Priester wäre sogar Kurt Krenn erblasst. Das Erdbeben in Japan (Fukushima) war die gerechte Strafe Gottes für ein Land, das sich dem Christentum nicht geöffnet hat und 2007 machte sich eine Gruppe nach Afghanistan auf, um die Taliban zu bekehren. Zwei Menschen wurden erschossen, die restlichen 23 Missionare wurden nach Zahlung eines Lösegelds durch den südkoreanischen Staat freigelassen. In Sannae treibt sich ein besonders eifriger Priester sehr oft in der Nähe der Volksschule herum und prophezeit den Kindern die Hölle, wenn sie Jesus nicht annehmen würden. Er hat sich offensichtlich weniger militante Opfer ausgesucht. Manchmal pilgert er auch zu kleinen Klöstern und schreit Mönche an, sie sollen doch von dieser Teufelsreligion ablassen. Einem Mönch wurde es zu viel und er schlug dem Priester ins Gesicht.

Doch auch der Buddhismus hat in Südkorea keine reine Weste. Abgesehen von Mönchsarmeen, die im Mittelalter gegen japanische Invasoren kämpften, artete ein Fraktionskampf 1998, bei dem es nicht um religiöse Doktrinen sondern um Macht und Geld ging, in Gewalt aus. Mit Steinen, Flaschen und Feuerlöschern bekämpften sich diese beiden buddhistischen Fraktionen und warfen Kleinlaster um. Ansonsten begnügt sich der Buddhismus mit Schlagzeilen über Trinkgelage, Korruption und Mönchen in teuren Autos. (Alexander Reisenbichler, derStandard.at, 14.5.2013)