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Der Unglücksort in der Westtürkei.

Grafik: APA

Manisa – Bei dem verheerenden Unglück in einem Kohlebergwerk im Westen der Türkei am Dienstagnachmittag sind mindestens 232 Arbeiter ums Leben gekommen. Die Zahl der Todesopfer könnte jedoch weiter steigen. Hunderte Bergleute seien noch verschüttet und ihre Bergung "ein Wettlauf gegen die Zeit", sagte Energieminister Taner Yildiz Mittwochfrüh am Unglücksort in Soma.

Zum Unglückszeitpunkt seien 787 Kumpel unter Tage gewesen, so Yildiz. Hunderte Retter suchten nach den Verschütteten. Laut Medienberichten haben Einsatzteams 18 Stunden nach dem Unglück sechs weitere Überlebende geborgen. Nach Yildiz' Angaben konnten bisher mehr als 200 Bergleute geborgen werden, darunter mehrere Schwerverletzte. Dutzende seien verletzt in Krankenhäuser gebracht worden.

Nach einer Explosion, hinter der ein defekter Trafo vermutet wird, war es zu einem Feuer gekommen. Der Brand war Mittwochfrüh nach Angaben von Yildiz weiterhin nicht unter Kontrolle. Die Stollen waren noch immer voller Rauch.

Die meisten Bergleute steckten in 2.000 Metern Tiefe etwa vier Kilometer vom Eingang der Grube entfernt fest. Wegen des Stromausfalls konnten sie nicht über die Aufzüge an die Oberfläche gebracht werden.



Minenarbeiter vor der eingestürzten Mine. (Foto:  APA/Tolga Bozoglu)

Die Rettungskräfte versuchten Atemluft in den Schacht zu blasen. Aus Sicherheitskreisen vor Ort hieß es, dass sich zwei Luftblasen gebildet hätten. Zu der einen hätten die Bergungskräfte Zugang. In der anderen seien die Kumpel aber von jeder Hilfe abgeschnitten.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wollte am Mittwoch am Unglücksort eintreffen, nachdem er eine Reise nach Albanien abgesagt hatte. Mehrere Oppositionsparteien schickten ebenfalls Delegationen nach Soma.

Die Regierung rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Im ganzen Land und an den türkischen Vertretungen im Ausland würden am Mittwoch die Flaggen auf Halbmast gesetzt, teilte das Büro Erdogans mit.

In Soma, das rund 120 Kilometer nordöstlich der Küstenstadt Izmir im Westen des Landes liegt, versammelten sich Angehörige der Opfer vor dem Krankenhaus der Stadt. Die Polizei hielt die Menschenmenge zurück.

Das türkische Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit erklärte, die Grube sei zuletzt am 17. März auf Sicherheitsmängel untersucht worden, es habe dabei keine Beanstandungen gegeben. Der Bergwerksbetreiber Soma Kömür erklärte in einen knappen Statement, der Unfall habe sich trotz höchster Sicherheitsmaßnahmen ereignet. Eine Untersuchung des Unglücks sei eingeleitet worden.


Überblick über das Gelände. (Foto:  APA/Tolga Bozoglu)

Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt

Bei Protesten nach dem schweren Grubenunglück in der Türkei hat die Polizei in Ankara am Mittwoch Tränengas und Wasserwerfer gegen hunderte Demonstranten eingesetzt. Etwa 800 Demonstranten warfen Steine auf die Beamten und riefen regierungsfeindliche Parolen, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Der Protest hatte sich an dem Bergwerksunglück in Soma im Westen des Landes entzündet. Die Demonstranten wollten von einer Universität in der türkischen Hauptstadt in Richtung des Energieministeriums marschieren.

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan traf unterdessen an der Unglücksstelle in Soma ein, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Kritik der Gewerkschaft

Türkische Gewerkschaftsvertreter sprechen hingegen von einem programmierten "Massaker". Das Unternehmen beschäftige eine große Zahl an Leiharbeitern, um die Lohnkosten gering zu halten, sagte der Chef der Gewerkschaft DISK, Kani Beko, gegenüber türkischen Medien. Er kritisierte zudem die Privatisierung des Kohleabbaus in der Türkei.

Die 1984 als Soma Kömür A.S. gegründete Bergwerksgesellschaft betreibt die Mine seit 30 Jahren. Das Unternehmen ist mit 5,5 Millionen Tonnen pro Jahr einer der größten Kohleproduzenten der Türkei. In dem Bergwerk in der Provinz Manisa werden monatlich an die 250.000 Tonnen Kohle abgebaut. Soma Kömür beschäftigt an die 5.500 Minenarbeiter in diesem Werk.

Unternehmensvertreter sind Medienangaben zufolge für Anfragen nicht erreichbar. Wie der Vorstandsvorsitzende Alp Gürkan in einem vor zwei Jahren geführten Interview mit der Zeitung "Hürriyet" betonte, hätten sich die Kosten für den Kohleabbau durch private Betreiber massiv reduziert. So habe sein Unternehmen als Betreiber der Mine die durchschnittlichen Abbaukosten von 130 bis 140 Dollar pro Tonne auf 23,8 Dollar senken können.

Möglich sei das dadurch geworden, dass das Unternehmen die elektrischen Transformatoren nicht importiere, sondern selbst herstelle. Zudem würden Leiharbeiter über Subunternehmer angeheuert. Sie seien billiger als Arbeiter, die sich in der Kohlegewerkschaft Maden-Is organisiert hätten.

Gewerkschaften beklagen seit Jahren, dass die Regierung die Betreiber privater Minen zu wenig kontrolliere. Es herrsche eine jahrelange Praxis der Beschäftigung von nicht ausreichend eingeschulten Arbeitern, die über Subunternehmer angeheuert würden.

Nun wohl mehr Tote als bei bisher schwerstem Unglück

Das bisher schwerste Grubenunglück in der Türkei ereignete sich 1992 in der Provinz Zonguldak am Schwarzen Meer. Damals kamen durch eine Gasexplosion 263 Arbeiter ums Leben. In derselben Region wurden im Mai 2010 bei einer weiteren Gasexplosion 30 Bergleute getötet. (APA/red, derStandard.at, 14.5.2014)