Bregenz - Der Bodensee wird neu vermessen. Beim Projekt "Tiefenschärfe", von der EU über das Regionalprogramm Interreg IV gefördert, geht es nicht nur um die Tiefe des Dreiländergewässers. Wissenschafter aus den Anrainerländern gehen dem See mit neuesten Messmethoden auf den Grund und kommen zu überraschenden Ergebnissen.

"Da schlummert eine ganze Menge auf dem Seegrund", sagt Geologe Martin Wessels. Den Seegrund dürfe man sich nicht als weißes Leichentuch vorstellen, sagt der Wissenschafter, es biete sich dem Betrachter eine vielfältige Landschaft.

Schadstoffe durch Fracking

Eine der Überraschungen dürfte für die am Bodensee sehr starke Anti-Fracking-Bewegung interessant sein: Es wurden Quellen im See entdeckt. Martin Wessels: "Die Vermutung liegt nahe, dass es unterirdische Wasseraustrittsstellen aus der Molasse gibt. Und damit einen regen Austausch von See- und Grundwasser." Würden durch Fracking Schadstoffe ins Grundwasser gelangen, hätte das auch Folgen auf das Seewasser. Wessels regt dazu ein weiteres Forschungsprojekt an.

Zu diesen Details über den See kommt die Wissenschaft durch neue Messmethoden. Fächerecholote und an der Uni Innsbruck entwickelte Laserscanner liefern Unmengen an Daten. Die Echolote kommen im tiefen Wasser zum Einsatz, das Flachwasser wird vom Kleinflugzeug aus gescannt. Mit diesem Hydromapping könne man jeden Zentimeter scannen, ohne sensible Uferzonen zu beeinträchtigen, sagt Frank Steinbacher, Pilot und Wasserbauer. Das Scannen hat einen weiteren Vorteil: Die Festlanduferzonen werden miterfasst. Aus den gewonnenen Daten lassen sich Rückschlüsse auf Rutschungen, Einleitungen und Quellaustritte gewinnen.

Neben dem Wasser- und Naturschutz ist auch der Denkmalschutz ein Nutznießer der neuen Technik. So wird der Untergrund der prähistorischen Pfahlbauten von Unteruhldingen, ein Unesco-Weltkulturerbe am deutschen Ufer, genau untersucht. Mögliche Erosionen können erfasst werden.

3-D-Modell des Bodensees

Man findet auch immer wieder historisches Material. Das Wrack eines Raddampfers, der 1932 versenkt wurde, beispielsweise. Und noch einige andere interessante Dinge, wie Wessels andeutet. Diese Daten würden aber nicht veröffentlicht, wegen illegaler Schatzsucher.

Ziel des mit 612.000 Euro budgetierten Projekts ist ein hochauflösendes 3-D-Modell des Bodensees, das 2015 zur Verfügung stehen soll.

Zum ersten Mal vermessen wurde der Bodensee 1893, dann wieder 1990. Seither weiß man, dass der See eine Fläche von 536 Quadratkilometern hat, 63 Kilometer lang und 14 Kilometer breit ist. An seiner tiefsten Stelle misst er 254 Meter. (Jutta Berger, DER STANDARD, 14.5.2014)