Alhaid war zwölf, als er floh: "Keine Insel", Sonntag, 23.05 Uhr, ORF 2.

Foto: ORF/Backyard GmbH/Fabian Eder

Wien – Am 3. Oktober 2013 ertrinken 366 Flüchtlinge wenige Meter vor der Küste der Europäischen Union. Österreichische Leserbriefschreiber kommentieren: "War um stattet man die Bootsflüchtlinge nicht mit Schwimmflügerln aus?" Und: "Wenn alle Schiffe sinken, haben wir auch keine Flüchtlinge zu befürchten. Eine Win-win-Situation." So viel zur in diesen Tagen gern beschworenen neuen Toleranz.

Der Regisseur Fabian Eder liest diese veröffentlichten Auswürfe menschlicher Niedertracht. Und er liest diesen Brief: "Ich bin über die Gleichgültigkeit entrüstet. Mich regt das Schweigen Europas auf, das den Friedensnobelpreis erhalten hat." Geschrieben hat Giusi Ni colini, Bürgermeisterin von Lampedusa, und Eder will sie treffen. Die Fahrt nach Lampedusa von Malta über das Ionische ins Libysche Meer unternimmt er mit einem Segelboot. Was er erlebt, fasst er in dem Dokumentarfilm "Keine Insel" (Sonntag, 18. Mai, 23.05 Uhr, ORF 2) zusammen.

Ressentiments

Die unbekannte Insel, auf die man alles schieben kann, gibt es nicht. In Malta stößt er vor allem auf die Ressentiments der Bevölkerung. 35.000 Flüchtlinge würden hier leben, schätzt einer. In Wahrheit sind es 60.000, die Ar beitslosigkeit sei nicht gestiegen, sagt die Sozialanthropologin Ma ria Pisani. Eder spricht mit Flüchtlingen, so etwa Alhaid, 17, der vor fünf Jahren aus Gambia floh und im Schlepperboot nach Lampedusa kam. Weil er minderjährig die Flucht überlebte, darf er nicht ausgewiesen werden. Giusi Nicolini will angesichts solcher Katastrophen der Mitmenschlichkeit Eu ropa nicht aus der Verantwortung entlassen: "Wir exportieren Waffen in diese Länder, die dazu führen, dass die Menschen Kriege führen und flüchten müssen", sagt Nicolini.

Während des Drehs bloggte Eder auf derStandard.at. Am 7. Jänner schloss er mit der Frage: "Was bedeutet Heimat für Sie?" Eine Aufforderung. (Doris Priesching, DER STANDARD, 15.5.2014)