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Ein Blick auf die Praktiken des Datenjournalismus lohnt, um zu sehen, wie eine kooperations- und projektgetriebene Kultur in Medienunternehmen funktionieren kann.

Foto: APA/dpa/Matthias Hiekel

Wien - Datenjournalismus. Irgendwie nervt der Hype schon. Es scheint, als ob sich in jeder Redaktion bereits Armeen von Datenjournalisten tummelten. De facto besteht die Community in Österreich aus ein paar Leuten, und der Datenjournalismus wird die Situation am Arbeitsmarkt nicht retten.

Warum fasziniert das Thema trotzdem so? Sind es die bunten Balken, Torten, Kreise, auf denen wir herumklicken, -scrollen, -schieben, -ziehen und so die aktuellsten Entwicklungen von den Conchita-Votings bis zur Vorratsdatenspeicherung deuten können? Ist es das Detektivische, das in der Analyse riesiger globaler Datenberge steckt? Oder die neue Übersichtlichkeit, wenn Berge politischer Dokumente gesammelt, systematisiert und aufbereitet werden?

Das alles und noch mehr. Jeder, den die Entwicklung des Journalismus und seiner Organisationsformen interessiert, sollte sich auch damit beschäftigen, weil das Thema über die Datenspielerei und ihre unbestreitbar wichtigen Ergebnisse hinaus Bedeutung hat. In den datenjournalistischen Produktionsprozessen kristallisieren sich im Kleinen viele jener Veränderungen heraus, die Arbeitsteilung und Workflows in Redaktionen im Großen künftig charakterisieren werden.

Datenjournalismus erzieht zu neuen Arbeitsweisen, weil ...

  • Datenjournalismusprojekte Projekte sind. Da kann nicht von einem Einzelnen an einer einzelnen Geschichte gearbeitet werden, da muss ein Projekt mit einem – zumindest rudimentären – Projektmanagement aufgesetzt werden.
  • Einzelkämpfertum nicht möglich ist. Teamwork heißt die Devise. Übergreifend zwischen Ressorts, zwischen Redaktion, Technik und Design. Unterschiedliche Expertisen, unterschiedliche Arbeitsweisen, unterschiedliche Professionskulturen müssen zusammenkommen – und zusammengebracht – werden.
  • Datenjournalismus per se multimedial ist. Technik ist kein Hilfsdienst, sondern gehört zum Projekt und zu seiner Machbarkeit genauso wie die Redaktion – das Team muss wissen, was technisch möglich ist, und so zusammenarbeiten, dass es inhaltlich sinnvoll ist.
  • Social Media und User-Engagement in die DNA von guten Datenjournalismusprojekten eingeschrieben sind. Interaktiv ("Klick auf das Törtchen!"), idealiter via Social Media verbreitet und möglicherweise crowdgesourct ("Hilf bei der Analyse!").
  • vieles nicht ohne Partnerschaften geht – national und international. Reines Konkurrenz- und Schrebergartendenken geht da nicht mehr: Die besten Geschichten von NSA bis Offshore-Leaks entstehen da, wo marken- und grenzübergreifend zusammengearbeitet wird.

Fazit: Eine journalistische Kultur, die traditionell individualistisch und konkurrenzgetrieben ist, könnte tendenziell dysfunktional werden. Ein Blick auf die Praktiken des Datenjournalismus lohnt, um zu sehen, wie eine kooperations- und projektgetriebene Kultur in Medienunternehmen funktionieren kann. (Daniela Kraus, derStandard.at, 14.5.2014)