"Wenn einer wie die Conchita Wurst nicht weiß, ob's a Manderl oder a Weiberl is, dann brauchats besser an Psychotherapeuten als beim Song Contest aufzutreten. Und ich frag mich ja, warum der ORF überhaupt unseren, oder es, ich weiß ja nicht, wie ich, wenn die Wurst des selber net waß, weiß ich es schon gar nicht. Ist es jetzt ein Es, ein Er oder Sie?", sprach ein sichtlich irritierter FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache wenige Tage vor dem Song Contest.

Wider die Natur

Strache gehört zu den Menschen, die leicht aus der Fassung zu bringen sind. Ein Mann, der nicht aussieht wie ein Mann? Eine Frau, die einen dichten Vollbart trägt? Männer, die Männer lieben? Frauen, die partnerschaftlich ein Kind großziehen? Das geht doch nicht. Das ist wider die Natur. Dagegen muss unbedingt gewettert werden!

"Was soll denn das Adoptionsrecht für Homosexuelle? (Strache greift sich an den Kopf) Wir wollen Kinder fördern. Wir wollen jene Form fördern, woraus Kinder überhaupt entstehen können, und des geht nur zwischen Manderl und Weiberl. Des geht zwischen Manderl und Manderl und Weiberl und Weiberl net. Des is biologisch so. Wir wollen ja nicht Sexualität subventionieren. Und wir wollen nicht die Dekadenz weiter vorangetrieben wissen und Hedonismus in unserer Gesellschaft", so Strache in einer Wahlkampfrede am 1. Mai.

Unverrückbare Eindeutigkeit ist für den FPÖ-Obmann das Maß aller Dinge. Nicht nur bei Geschlechtern und deren Verhältnis zueinander, sondern auch bei der Herkunft und ethnischen Einordnung von Menschen. Er will genau wissen, wer Serbe, Pole, Türke und wer Österreicher ist, sonst herrscht Verwirrung oder gar Vermischung. Er will auch, dass alle, egal ob zu Hause oder in der Öffentlichkeit, nur eine einzige Sprache sprechen, seine Sprache, denn mit mehr als einer Sprache kommt er nicht zurecht. Er braucht auch ethnisch klar abgegrenzte Stadtviertel – Ottakring sieht er als "Klein Istanbul" – sonst weiß er nicht genau, wen er antrifft, sollte er einmal dort sein.

Saubere Trennung

Alles muss fein säuberlich getrennt sein. Die einen, die hier sind, sind Gäste, und die anderen sind die Gastgeber. Gäste sollen sich klein machen und Gastgeber über ihnen stehen. Kinder, die Straches Sprache nicht sprechen, sollen in getrennte Schulklassen gehen. Erst wenn sie seine Sprache gut beherrschen, dürfen sie mit ihm kommunizieren. Auch die Dauer von "Gast"-Aufenthalten braucht scharfe Begrenzungen. Wer zum arbeiten kommt, soll sofort gehen, wenn die Arbeit beendet ist. Wer nach Österreich flüchtet, soll umgehend zurück, wenn die Gefahr nicht mehr allzu groß ist. Wer hier aufgrund der Liebe zu einem Menschen gekommen ist, soll, wenn die Liebe verflogen ist, auch selbst wieder abfliegen.

Schattierungen? Undenkbar

Dass sich Menschen neu orientieren, umorientieren und mehrfach orientieren, bereitet Strache großes Unbehagen. Zwei oder mehr Identitäten? Multiple Zugehörigkeiten? Mehrere örtliche Bezugspunkte? Doppelte Staatsbürgerschaften? Mehrsprachigkeit? Brechen von Konventionen? Undenkbar! Entweder du entscheidest dich für das Eine oder das Andere. Unterschiede müssen erkennbar, Einordnungen jederzeit möglich sein. Was verschieden ist, darf sich, wenn überhaupt, dann nur zeitlich und örtlich beschränkt berühren, aber keinesfalls miteinander verschränken oder gar verschmelzen, denn wie soll man es sonst, bitteschön, wieder auseinander bekommen?

Es braucht schon sehr besondere Umstände, damit jemand wie Strache vom Prinzip der sauberen Trennung eine Ausnahme macht. Die FPÖ darf eine österreichische Partei sein und sich trotzdem für die italienische Provinz Südtirol zuständig fühlen. In Bezug auf Italien, aber wirklich nur in Bezug auf Italien, sind aufgrund dieser einen italienischen Provinz sogar Doppelstaatsbürgerschaften denkbar. David Alaba, und nur David Alaba, darf Schwarz und Österreicher sein, weil er ein ganz besonderer, ein ganz besonders erfolgreicher Fußballer ist.

Arnold Schwarzenegger darf, weil er ein Weltstar ist, Amerikaner sein und trotzdem seine Österreichverbundenheit zeigen, ohne dass er dafür von dort heim- und von hier wieder weggeschickt gehört. Und inzwischen darf Conchita Wurst, und nur sie, und auch nur, weil sie den Song Contest für Österreich gewonnen hat, als weibliche Kunstfigur eines Mannes existieren, der als Mann keinen Bart trägt, als Frau aber schon.

Nationalismus und Opportunismus

Strache braucht Nationalismus und viel Opportunismus, um ausnahmsweise die Abweichung von Normen zu goutieren oder zumindest, wie im Falle von Conchita, schweren Herzens und wohl auch nur temporär, zu tolerieren. Doch die Abweichung von althergebrachten Normen ist nicht das, wozu Strache sie macht, sie ist nicht die seltene Ausnahme, sondern sie ist die Regel.

Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, sieht eine Realität, die mit den Normvorstellungen, die in unseren Köpfen verankert wurden, vielfach nichts gemein hat. Das mag Herausforderungen mit sich bringen. Das mag für manche verwirrend sein. In erster Linie sollte es aber etwas ganz anderes sein, nämlich selbstverständlich, oder, wie es Conchita sagen würde, richtig, wurst. (Leserkommentar, Alexander Pollak, derStandard.at, 13.5.2014)