Wien - 30 Dirigenten leiten die Wiener Symphoniker in deren chefdirigentenlosen Saison; im Moment sind beim aktivsten Symphonieorchester Österreichs französische Wochen angesagt. Alain Altinoglu wird in den kommenden Tagen mit Strawinskys Le sacre du printemps heftige Klanggewalten entfesseln, am Abend des Song Contest ließ es sein Landsmann Lionel Bringuier ebenfalls mit Strawinsky ordentlich krachen: beim Höllentanz des Königs Kaschtschei, einem Teil der 1919er Fassung der Feuervogel-Suite.
Debussys Prélude à l'après-midi d'une faune hatte Bringuier, ab der kommenden Saison Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich, auf eine überraschend trockene, aseptische Art interpretiert. Bei Debussys Ohr- und Gemütsschmeichler vermisste man traumverlorene Laszivität, müdes Sichräkeln; das Ganze erinnerte mehr an ein schnelles Nachmittagsnickerchen von Doris Day.
Da passte Vadim Repins Auftritt mit Prokofjews zweitem Violinkonzert gut ins Stimmungsbild: Kaum jemand präsentiert kantable, lyrische Themen auf eine hölzernere Art als der Mann aus Sibirien. Abgesehen vom relativ vital und engagiert gegebenen Finalsatz enttäuschte Repins durchschnittlich präzises, durchschnittlich intensives Spiel: Man konnte sich fast jede Passage virtuoser, prägnanter, farbiger, fesselnder vorstellen.
Nach der Pause kamen die Symphoniker bei Zoltán Kodálys Tänzen aus Galánta erstmals auf Touren und präsentierten die klingende Cinemascope-Bilderfolge markant. Am wirkungsvollsten war dann aber natürlich der Feuervogel, beeindruckend das Retardieren und das darauffolgende Crescendieren am Ende des Wiegenlieds und zum Beginn des Finales. Bringuier präsentierte sich bei seinem Debüt mehr als akkurater Organisator denn als Charismatiker; 2016 wird der 27-Jährige wieder mit dem Orchester musizieren.
Das Karlsplatz-Café kann zum Sehen des Song Contest übrigens empfohlen werden. (end, DER STANDARD, 13.5.2014)