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Comedy-Star, ab 2015 Talkshowmaster der Nation und laut "Time Magazine“ eine der 100 einflussreichsten Personen der Welt: ­Stephen ­Colbert.

Foto: REUTERS/Lucas Jackson

New York/Wien - David Letterman, der Grandseigneur der US-TV-Talkshows, wird abtreten. In seine Fußstapfen tritt der als Konservativer verkleidete liberale Comedy-Star Stephen Colbert. Dessen Nachfolger Larry Wilmore, ein Afroamerikaner, plant einen Minderheitenreport: In der Unterhaltungslandschaft des abendlichen US-Fernsehens gerät einiges in Bewegung.

Als vor einem Monat bekannt wurde, dass für David Letterman (67), den langgedienten Star der Late Show auf CBS (und Vorbild von Harald Schmidt in seinen besten Zeiten), ein Ersatz feststeht, war die Überraschung groß. Denn auf den eher behäbig gewordenen und stets auf Mainstream achtenden Letterman folgt Stephen Colbert, eine kontroverse Kunstfigur.

Sternenbanner und ein ebenfalls mit Stars and Stripes geschmückter Adler leiten seine Show auf dem Kabelsender Comedy Central ein. Viermal in der Woche predigt er die Tugenden des echten Amerika und verhöhnt alles, was links, gottesfern, schwul oder sonst wie von der konservativen Warte aus betrachtet verdammenswert ist - allerdings mit dem Quäntchen absurder Übertreibung, das sein Gehabe als Parodie erkennen lässt, wenn man nicht satireimmun ist.

Colbert, der übrigens heute 50 Jahre alt wird, ist eine erstaunliche Erscheinung im amerikanischen Unterhaltungsgeschäft. Seine Herkunft - katholisch, irische Vorfahren, in den Südstaaten aufgewachsen - lassen ihn eher für konservative Agenda geeignet erscheinen. Doch seine kritische Bildung brachte ihn zu aufmüpfigen TV-Sendungen wie Saturday Night Live und vor allem zu Jon Stewarts Daily Show, wo er lange Zeit einen Berichterstatter à la Fox News mimte: "Ich erzähle euch die Wahrheit, unbeeinflusst durch rationale Argumente."

Seit 2005 koproduziert Stewart den Colbert Report seines Kollegen (sprich, französelnd: Colbär Repor). Die Zuschauer: wie bei der Daily Show meist jünger, besser gebildet und eher links von der US-Mitte - daher eine Minderheit.

Krieg gegen Amerikas Herz

Nun aber soll Colbert mehrheitsfähig werden, und seine Kritiker schießen sich bereits auf ihn ein. "CBS hat dem Herzen Amerikas den Krieg erklärt", befand der Krawallradiomacher Rush Limbaugh. Und ein weiterer Liebling der Republikaner, Fox-Moderator Bill O'Reilly, legte nach: "Colbert ist ein ideologischer Fanatiker, hat keine Ahnung und betrügt seine Zuschauer."

Sie werden nicht zur Ruhe kommen. Denn nun will Nachfolger Larry Wilmore, ebenfalls Katholik, aufgewachsen in Los Angeles, seinen Minority Report dem Fox-Programm diametral entgegengesetzt ansiedeln: "eine politisch orientierte satirische Show" soll es werden, in der Frauen und Minderheiten aktivere Rollen spielen werden.

Producer Stewart, in dessen Daily Show Wilmore immer wieder einen "senior black correspondent" karikierte, heuerte ihn letzte Woche an. Bis Jahresende wird Wilmore noch an einer Sitcom für ABC/Disney arbeiten.

"Ausgerechnet Disney", sagte er der New York Times, auf die blütenweiße Vergangenheit des Konzerns anspielend. "Aber dann dachte ich mir: Mickey Mouse ist ja auch schwarz." (Michael Freund, DER STANDARD, 13.5.2014)