Außer der älteren Dame und dem Mops kommen alle handelnden Personen aus dem näheren oder ganz nahen Umfeld der RU Donau. Stall wie Viehzeug wurden von den Kärntner Schwiegereltern des Herrn Sportdirektors beigebracht, der selbst als Ober gar keine schlechte Figur abgibt.

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Wien - Bei Stiig Gabriel gurrte das Telefon. Am Rohr war eine Werbeagentur, man bräuchte für ein Projekt im Bereich Zahntechnik bitte ein paar Rugbyspieler. Trotz verschärften Klischee-Alarms lud der höfliche Sportdirektor der RU Donau Wien die Kreativen zu einem Training, um ihnen so ein Casting von Charaktären unter Wettkampfbedingungen zu ermöglichen.

Die Werber (ortner&weihs) waren begeistert. Von unprätentiösen, bodenständigen Sportsmännern, die im Zahnarztfoyer willig übereinander herfielen. Sie taten, was zu tun war und hatten die nötige Körperkontrolle, um das Verlangte auch überzeugend umzusetzen. Rugbyspieler sind eben disziplinierte Menschen. Das muss so sein, denn andernfalls wird es bei einem Zeitvertreib, dessen Grenzen zum blutigen Massaker für Außenstehende nicht immer messerscharf gezogen scheinen, schnell einmal gefährlich.

Zum Dank sprang für Donau eine kleine Kampagne (Motto: "Rugby reißt mit!") heraus, "die wir mit Handkuss genommen haben. Denn so etwas könnten wir uns regulär natürlich keinesfalls leisten." Man vermittelte den Werbern, was Rugby in seiner Essenz ausmachen kann: nämlich ein dynamischer, körperbetonter Volkssport zu sein, bei dem es um viel mehr geht, als um aufgepfropfte Exzellenz. In Südfrankreich, England und natürlich Neuseeland ist das Realität, in Österreich noch nicht ganz. "Daran arbeiten wir", sagt Gabriel, dem an dieser Stelle ein ganz leises Lachen auskommt, "mit einem sehr langfristig angelegten Plan."

Endlich zu Hause

Die drei auf dieser Grundlage erarbeiteten Sujets (Plakate, Poster, Flyer) kommen genau zur rechten Zeit, denn bei Donau tut sich gerade einiges. Für den Verein besonders wichtig: Im Prater, in nächster Nähe zu Stadion und Wirtschaftsuniversität, wurde endlich eine Heimstätte gefunden. Dort entstehen ein speziell auf Rugby ausgerichteten Kunstrasenplatz (besonders weich), ein Klubhaus, sowie ein Feld für Beach-Disziplinen. Bisher buchstäblich an den Rand gedrängt und zum Nomadentum verurteilt, rückt man nun auch geografisch von der Peripherie ins Zentrum.

Die noch allzu frischen (und wenig erfreulichen) Erinnerungen an die urösterreichische Herrschaftsform der Platzwartokratie haben zur Folge, dass die Anlage gemeinsam mit an Bord geholten Leidensgenossen aus anderen Randsportarten (Lacrosse, Gaelic Football, Frisbee) betrieben wird.

Ins Zentrum

Gabriel setzt große Hoffnungen in die neue Raumordnung. Gleich nebenan befinde sich das Gelände des Leichtathletikverbandes, die Heim-Partien von Rapid fänden ab Herbst im Stadion statt: "Man wird über uns stolpern, wir sind quasi ins sportlich Herz Wiens vorgerückt." Neben Schulen wird man die WU besonders beackern, Studenten gelten als durchaus dankbare Zielgruppe. Dass der Sport in Österreich immer noch nicht richtig wahrgenommen wird, soll sich endlich ändern.

Allerdings: Rugby ist hierzulande immer noch ein Frischling, Disziplinen wie American Football oder Hockey haben einen Vorsprung von Jahrzehnten bis Jahrhunderten. "Wir sind immer noch eine Art Familie, überschaubar - auch wenn ich mittlerweile nicht mehr jeden mit Namen kenne, was erfreulich ist." Die Tatsache, dass nunmehr bereits die dritte rugbyspielende Generation kreucht und fleucht, lässt Gabriel an ein Fortschreiten in Richtung kritischer Masse glauben.

Beinahe ein Großklub

Etwa 80 bis 100 Jugendliche betreiben bei Donau in allen Altersklassen Rugby, bis zur U14 spielen Mädchen und Burschen gemeinsam. Es gibt eine Frauen-Sektion mit zwei Teams und natürlich die drei Männermannschaften. Die Erste dominiert die Bundesliga und sicherte sich seit 2007 jedes Jahr die Staatsmeisterschaft. Im Rennen um die Nummer eins in der Liga ist mit dem RK Ljubljana allerdings ein ebenbürtiger Gegner erwachsen. An jedem Trainingstag stehen 60, 70 Sportler auf dem Feld, das Wort "Großklub" hört der auch als Coach ("Herren, und wenn es sich ausgeht auch Damen") engagierte Sportdirektor aber nicht so gern.

Als führender Verein in Österreich sei man sich der Verantwortung für die Entwicklung des Sports durchaus bewusst, sagt Gabriel. Das beginnt mit einer soliden Ausbildung der Spieler (bis zu 15 Betreuer werken im Klub) und setzt sich mit dem Ziel fort, über den Erfolg im Wettkampf Aufmerksamkeit zu generieren. Man helfe aber auch in Gremien personell aus und stelle Coaches für die Jugend-Nationalteams. Zwei- bis dreimal trainieren die Elite-Spieler pro Woche, dazu kommen individuelle Einheiten (Ausdauer, Kraftkammer), sowie ein intensiviertes Fitness-Regime im Rahmen des Nationalteams - in Summe für Amateure mehr als ordentliches Programm.

Ein Stil für Österreich

Mit Blick auf die nationale Sache hat Donau in dieser Saison sogar auf die Teilnahme am Europacup verzichtet, der Abstellung der Spieler für Lehrgänge und Vorbereitungsspiele der ÖRV-Equipe wurde Vorrang eingeräumt. Neun Mann im 23-köpfigen Kader sind Cracks der RUD. Im Rugby-Verband steht seit etwa einem Dreivierteljahr eine neue sportliche Leitung in der Verantwortung, angeführt von Teamchef Lofty Stevenson, dem ersten Profi-Trainer in Österreichs Rugby-Geschichte.

Man arbeitet an der Entwicklung einer einheitlichen Philosophie, in Richtung eines schnellen Kombinationsspiels mit Blick für den Raum soll es gehen. "Den Ball am Leben halten", formuliert das der Jargon sehr anschaulich. Dieser Stil soll in der Folge auch von den besten Klubmannschaften mitgetragen werden. Dass Stevenson Neuseeländer ist, ist stimmig, gelten seine Landsleute doch als Apologeten des Jogo Bonito der Eierlaberl-Variante. Gabriel: "Der Teamchef ist ein Mann, der für Rugby lebt und das auch so weitergibt. Das ist eine ganz andere Qualität."

Das Bohren harter Bretter

Nach einem Umbruch aufgrund des Karriere-Endes mehrerer arrivierter Spieler, kämpft ein recht junges Österreich in der Gruppe 2C des Europäischen Nationencups (fünfthöchste kontinentale Klasse) allerdings trotzdem gegen den Abstieg. Wiederholt gingen Matches knapp aber doch verloren, in den entscheidenden Phasen fehlten Kleinigkeiten. An diesen Schräubchen wird nun mit Hochdruck justiert. Zudem ist ein langer Atem nötig, angesichts von Konkurrenten wie Zypern und Ungarn, die massiv auf auswärtige Spieler setzen, die allein durch Pass oder Verwandtschaft Spielberechtigung erlangen.

Mit einem 20:8 (10:3) gegen Slowenien Anfang Mai rettete sich Stevensons XV immerhin in die Relegation, der Gegner dort heißt vermutlich Bosnien-Herzegowina (auch Luxemburg und Norwegen sind möglich). Man kennt sich, hat schon manchen Strauß ausgefochten. Gabriel bleibt auch hier und bis zum Ende Optimist: "In einem Spiel, noch dazu auswärts, kann immer viel passieren. Grundsätzlich bin ich aber sehr positiv gestimmt." (Michael Robausch, DER STANDARD, 16.5.2014)