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Faymann: "Mich stört, dass der Stiftungsrat zu groß ist, ich will einen ORF-Aufsichtsrat mit zehn Leuten."

Foto: APA/Jäger

Wien - Bundeskanzler Werner Faymann überrascht im "Kurier" mit neuen Reformideen für den ORF: Das wichtigste ORF-Gremium möge sich doch ohne Gesetzesänderung einfach selbst verkleinern. Renommierte Rundfunkjuristen sehen dafür keine Möglichkeit. Auch ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel findet des Kanzlers "Anregung" "nicht nachvollziehbar".

Laut Faymann sollen die 35 Stiftungsräte zehn wählen, die dann die Aufgaben des Stiftungsrats übernehmen sollen. Nur: Laut Paragraf 20 Absatz 6 des geltenden ORF-Gesetzes, an dem sich nach dem Plan nichts ändern soll, ist der Stiftungsrat erst ab 18 anwesenden Mitgliedern beschlussfähig. Umkehrschluss: Zehn können alleine nichts beschließen - es sei denn, die übrigen, in dem Szenario zum "Beirat" degradierten Stiftungsräte sind dabei und enthalten sich.

Reformjahre ohne Reform

Vor zwei Jahren, am 24. April 2012, kündigte Kanzler Faymann auf Seite 1 des Kurier eine Reform des ORF mit einem "unabhängigen, kleineren Aufsichtsrat" an. Vize Michael Spindelegger schloss sich an und sprach gar von einer "gewaltigen Reform".

Der damalige Medienstaatssekretär  im Kanzleramt, Josef Ostermayer (SPÖ), berief eine Arbeitsgruppe samt internationalen Experten ein, tagte mehrfach, endete ohne Abschlussbericht.

Das Verfassungsgericht hob die Faxwahl für Publikumsräte 2011 auf. Also brauchte es vor der Neubestellung 2014 eine Novelle. Im letzten Moment legten SPÖ und ÖVP die kleinstmögliche Reparatur vor - ohne Reform des Stiftungsrats. Das Kanzleramt bestellte Publikumsräte, die Regierung Faymann entsandte Stiftungsräte, wieder konstituierten sich das Gremium mit 35 Mitgliedern.

"Sollen die Stiftungsrat-Aufgaben übernehmen"

48 Stunden danach Faymanns Anregung im "Kurier": "Die 35 neuen Stiftungsräte könnten ja aus ihrem Kreis zehn bestellen, und sagen, die zehn sollen die Stiftungsrat-Aufgaben wahrnehmen und der bestehende Stiftungsrat wird eine Art Beirat."

"Geht ohne Änderung des ORF-Gesetzes natürlich nicht", twitterte etwa der renommierte Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer auf Anfrage, er ist im Brotberuf Verwaltungsrichter. Auch andere Rechtsexperten äußerten sich ähnlich verwundert.

VP: "Unverständlicher Vorschlag"

Auch nach dem Prüfungsstand von ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel lässt sich die Kanzler-Idee nicht ohne Änderung des ORF-Gesetzes umsetzen. Blümel betont auf STANDARD-Anfrage: "Wir waren und sind immer bereit über echte Reformen zu reden." Aber: "Ein zusätzliches Gremium zu schaffen und einen Schritt hin zu noch mehr Zentralisierung machen zu wollen, ist ein unverständlicher und nicht nachvollziehbarer Vorschlag." Und: "Dafür wäre nach unserem Prüfungsstand eine Änderung des ORF-Gesetzes notwendig."

"Bisschen eigenartig, jetzt zu kommen"

Richard Schenz, langjähriger Vorsitzender des Corporate-Governance-Arbeitskreises und ehemaliger Regierungsbeauftragter für den Kapitalmarkt, sagt im Gespräch mit dem STANDARD: "Man kann keine innere Reform vom Stiftungsrat verlangen. Das muss schon die Politik übernehmen."

Auch wenn der ORF nicht als Aktiengesellschaft oder große GbmH organisiert sei: Eine innere Reform könne man womöglich beim Programm oder bei Strukturen verlangen, sie könne sich aber "nicht auf die Gremien beziehen": "Soll durchgesetzt werden, was der Bundeskanzler will" braucht es eine äußere Reform". Bei Aktiengesellschaften könnte die Hauptversammlung der Eigentümer etwa die Größe des Aufsichtsrats ändern.

Auch Schenz wundert sich über den Zeitpunkt der Kanzler-"Anregung" an den ORF: "Der Stiftungsrat hat sich doch gerade etabliert, die Funktionen sind verteilt. Jetzt mit der Idee zu kommen, wo man doch schon jahrelang nachdenkt, ob man da etwas ändert, scheint mir ein bisschen eigenartig."

VP-Generalsekretär Blümel erinnert ebenfalls an die jüngste Mini-Novelle und den neuen Stiftungsrat: "Erst vor wenigen Wochen haben wir gemeinsam eine Änderung des ORF-Gesetzes beschlossen.Im Zuge dieser Änderungen hätte die SPÖ ausreichend Möglichkeit gehabt, sich mit Ideen oder Vorschlägen einzubringen." Und: "Vor zwei Tagen erst hat sich der neue ORF-Stiftungsrat konstituiert."

Kanzler für den Ratsvorsitz zu brauchen, "wäre ja traurig"

Bei der Gelegenheit wurde Dietmar Hoscher (Casinos Austria, früher SPÖ-Abgeordneter) zum Vorsitzenden des Stiftungsrats gewählt. Laut Vorgängerin Brigitte Kulovits-Rupp wurde Hoscher als "nicht diskutierbare" Vorgabe den roten Stiftungsräten präsentiert.

Faymann sieht den neuen Stiftungsratschef Hoscher nicht als Partei-Vorgabe, erklärt er im "Kurier": "Wäre ja traurig", wenn Hoscher den "Herrn Bundeskanzler" dafür brauchte.

Mit Kulovits-Rupp vermisste Faymann offenbar den Kontakt: "Wie oft haben Sie von der was gehört? Ich habe sie persönlich das letzte Mal nach ihrer Bestellung gesehen." (fid, DER STANDARD, 10.5.2014)