Ein Cop, der mit Pistole unterm Kopfpolster schläft: Orlando Bloom, ungewohnt raubeinig in Jérôme Salles Thriller "Zulu".

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Wien - Auf die Narben des Apartheidregimes stößt man in Jérôme Salles Südafrika-Thriller Zulu an vielen Stellen. Ali (Forest Whitaker), Cop beim Morddezernat, wurde als Kind von Rassisten malträtiert. Sein Partner Brian (Orlando Bloom) ist mehr mit inneren Dämonen befasst - er trinkt, schluckt Tabletten, als Vater und Ehemann hat er versagt. Gemeinsam ermitteln die beiden in einem Frauenmord - es ist nur der erste Schleier eines etwas überkonstruierten Komplotts, in dem auch die Verheerungen der Vergangenheit eine Rolle spielen. Für Herr der Ringe -Star Bloom, der im April einen Stern auf dem Hollywood-"Walk of Fame" bekam, bietet der raue Thriller Gelegenheit, sich mit einem ungewöhnlich virilen Part zu profilieren.

STANDARD: Ihre Figur in "Zulu" ist ein ziemlich gebrochener Held - etwas, das man von Ihnen kaum kennt. Was bedeutet Ihnen diese Rolle?

Bloom: Stimmt, die Zuschauer sehen mich gewöhnlich in einem anderen Licht. Die Rolle bot mir die Möglichkeit, meine Schattenseiten zu erkunden. Brian ist ein ziemlich unrunder Mensch. Ich glaube jedoch, dass er auch eine ehrenhafte Seite in sich birgt. Er dehnt gewissermaßen nur die Regeln etwas aus, damit die Dinge am Laufen bleiben. Mit dieser Wildheit und Freiheit zu spielen, hat mir viel bedeutet.

STANDARD: Hat es Sie überrascht, als Ihnen dieser Part von Regisseur Jérôme Salle angetragen wurde?

Bloom: Ich habe schon nach solchen Gelegenheiten gesucht. Der erste Satz für Brian im Drehbuch lautete: "Er steigt nackt aus dem Bett, in der Hand eine Pistole." - das sagt doch einiges über ihn aus! Er steigt nicht aus dem Bett, zieht seine Boxershorts an, geht die Treppe runter, kocht Kaffee ...

STANDARD: Er schläft sozusagen mit der Pistole unter dem Polster.

Bloom: Ja, und er exponiert sich. Er gibt sich in aller Deutlichkeit als derjenige zu erkennen, der er ist. Zuerst in einem körperlichen, im Laufe des Films dann auch in einem emotionalen Sinne. Er bricht zu einer Reise auf, bei der er mit seinem inneren Selbst Frieden zu schließen versucht. Zulu ist Thriller, Cop-Drama und Action-Thriller zugleich - alles vor dem Hintergrund Südafrikas. Und Kapstadt ist selbst wie eine Figur in dem Film.

STANDARD: Ich habe gelesen, dass Sie selbst eine familiäre Beziehung zu Südafrika haben.

Bloom: Ja, der Mann meiner Mutter war Harold Bloom, ein jüdischer Anwalt und Autor, der auch politisch sehr aktiv war - und den ich lange für meinen Vater hielt.

STANDARD: Hat Sie das zusätzlich für den Schauplatz eingenommen?

Bloom: Es war ein Bonus. Ich konnte endlich sehen, woher mein Vater kam. Ich war davor noch nie in Kapstadt. Es ist ein interessantes Land voller Widersprüche.

STANDARD: Für "Zulu" durchliefen Sie auch eine körperliche Verwandlung. Wie wichtig sind Ihnen solche äußerlichen Aspekte einer Rolle?

Bloom: Das war für die Figur essenziell. In Südafrika sind die Männer sehr machistisch, nahe am Stereotyp. Ich wollte Brian als jemanden spielen, der selbst eine fatale Erschütterung gut erträgt. Er hat keine Angst. Es gibt eine Form der Selbstsicherheit, die aus der Körperlichkeit resultiert. Körperliche Verwandlung führt zu geistiger Verwandlung, das ist eine Form von Macht - man hat das Gefühl, dass man die Dinge in die Hand nehmen kann. Ich habe zur Vorbereitung immer wieder TNT von AC/DC gehört. Brian ist immer kurz vorm Explodieren.

STANDARD: Wie verhielt sich diese Chemie denn in Bezug zu Forest Whitaker?

Bloom: Da war sie besonders wichtig, weil wir zwar Partner spielen, aber die meisten Szenen separat voneinander haben. Unsere Pfade treffen sich ein paar Mal im Film, eigentlich sind es jedoch zwei Geschichten. Gerade weil wir nicht oft miteinander zu sehen sind, musste es einen um so spontaneren, stichwortartigen Umgang zwischen uns geben. Ali weiß, dass Brian ohne ihn einfach auseinanderfallen würde. Und das weiß wiederum Brian: Ali ist für ihn fast wie ein Pate - er schaut auf ihn. Deshalb ist er auch so loyal zu ihm. Die Arbeit mit Forest Whitaker war ein Geschenk - für mich ist er einer der größten Schauspieler in Hollywood.

STANDARD: Der Dreh in den Straßen der Stadt, vieles davon mit Handkamera umgesetzt, muss sich sehr von "Herr der Ringe" und "Pirates of the Carribean" unterschieden haben. Haben Sie dafür eine andere Technik gebraucht?

Bloom: Ich habe es genossen. Grundsätzlich gefällt mir die Idee, neue Formen auszuprobieren, sich zu entwickeln, gefährlich zu sein - auch wenn dies nicht immer funktioniert. Ich habe letztes Jahr auch mit Romeo und Julia mein Broadway-Debüt gegeben. Und ich habe eine Komödie mit Joe Swanberg gedreht, ein kleiner Film, in dem ich nur vier Szenen habe, aber alles ist improvisiert. Ich mochte schon Swanbergs Film Drinking Buddies sehr.

STANDARD: Matthew McConaughey hat zuletzt eindrücklich demonstriert, dass es möglich ist, aus bestimmten Rollenprofilen auszubrechen. Haben Sie sich schon vergleichbare Fragen gestellt?

Bloom: McConaughey ist ein fantastisches Vorbild für jeden Schauspieler. Er hat verdientermaßen einen Oscar gewonnen, weil er das Spiel für sich komplett umgedreht hat - alles, was er die letzten zwei, drei Jahre gemacht hat, war preiswürdig. Ich war schon von Mud beeindruckt.

STANDARD: Wenn Sie sich das vergegenwärtigen, denken Sie dann auch: Es ist möglich, gegen bestimmte Erwartungen anzutreten?

Bloom: Nichts davon ist einfach. Es ist schwierig, eine Perspektive zu verschieben, wenn dich das Publikum auf eine bestimmte Weise wahrnimmt. Ich war Teil zweier riesiger Trilogien, und das hat ein ziemlich starres Bild von dem in der Öffentlichkeit geformt, wer ich bin. Dieses Bild zu verändern, ist aber definitiv etwas, was ich versuchen will - oder bereits versuche.

STANDARD: Theater zu spielen ist ein fester Bestandteil davon?

Bloom: Ich habe ja eine Theaterschauspielschule besucht und auch in London auf der Bühne gestanden. Den Romeo nun das erste Mal zu spielen, war eine große Herausforderung. Das hat mich sehr viel über mein Handwerk gelehrt. Ich habe gemerkt, wie stark das Publikum an der Erschaffung der Rolle beteiligt ist: Es macht dich oder es vernichtet dich. Das Publikum füllt den Raum erst mit Leben, und entweder folgt es dir und genießt es oder eben nicht.

STANDARD: Haben Sie die Bühne - und Shakespeare - als eine Art Heimkehr empfunden, zurück zum Wesentlichen des Schauspiels?

Bloom: Es war so, als würde ich einen bestimmten Faden wieder aufnehmen - von etwas, was ich sehr schätze und liebe. Und das war richtig gut. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 10./11.5.2014)