Faktum I: Arbeitseinkommen sind viel zu hoch besteuert. Faktum II: Die Steuer-und Abgabenquote ist insgesamt viel zu hoch (45,4 Prozent). Faktum III: Eine Steuersenkung ist nicht drin, denn der Hochsteuerstaat kommt mit unserem Geld nicht aus.

Was tun? Es grummelt unter den Steuerzahlern, denen zu viel (auch an Sozialabgaben) weggenommen wird. Die einen sind für "Gerechtigkeit" und "Umverteilung": Nehmen wir es den "Reichen" weg, und finanzieren wir damit eine Senkung des prohibitiv hohen Eingangssteuersatzes von 36,5 Prozent auf 25 Prozent.

Die anderen meinen, der Staat habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Der Hochsteuerstaat betreibt Fehlallokation seiner Mittel. Zu viel geht in die Befriedigung von mächtigen Klientelgruppen (Sonderpensionen für Beschäftigte der Sozialversicherungen, der Nationalbank, der Wirtschafts- und Arbeiterkammer, Länderverwaltungen, der E-Wirtschaft), in massenhaft gewährte Frühpensionen und in undurchschaubare Förderungen, hauptsächlich der Länder (15 Milliarden Förderungen, das doppelte des EU-Schnitts), zu viel in ineffiziente Strukturen im Gesundheits- und Bildungswesen.

Ad "Verteilungsgerechtigkeit": In keinem anderen Land wird über Steuern und Sozialtransfers so viel Einkommen umverteilt. Die verfügbaren Haushaltseinkommen bestehen zu 34 Prozent (!) aus Transfers. Die Vermögensverteilung hingegen ist ungleich. Aber "Gerechtigkeit" muss man wohl in größerem Zusammenhang sehen. Wie gerecht ist es, jemanden mit Vermögenssteuern zu belasten, wenn gleichzeitig das System der üppigen Sonderpensionen (6000 Euro monatlich bei der OeNB) für mindestens 100.000 Menschen aufrecht bleibt? Polemisch gefragt: Welche Sonderpensionen genießen jene (roten und neuerdings auch schwarzen) Arbeiterkammerfunktionäre, die so vehement eine Steuer auf Privatvermögen fordern? Und was denkt sich der ÖGB, wenn er sagt, eine Kürzung dieser Luxuspensionen würde "das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzen"? Eine Steuer auf Eigentumsbildung zur Altersvorsorge tut das nicht?

Ad Effizienz: Laut Finanzministerium kostet eine Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent schlanke 4,5 Milliarden Euro. Und was bringt eine Steuer auf Vermögensteile über einer Million Euro? Laut Finanzministerium rund eine Milliarde. Eine von der AK bezahlte Studie der Uni Linz kommt auf 2,2 bis 5,4 Milliarden Euro. Die Studienautoren setzten allerdings ihre Annahmen sehr großzügig an.

Auf einer solchen Basis eine Gegenfinanzierung einer Steuersenkung zu konzipieren ist kühn. Das Wirtschaftsforschungsinstitut nimmt in der Debatte eine Mittelstellung ein: Um eine Steuersenkung zu finanzieren, sei keine allgemeine Vermögenssteuer, wohl aber eine Erbschaftssteuer, eine erhöhte Grundsteuer und höhere Energiesteuern (also reine Massensteuern!) notwendig - plus strukturelle Kürzungen bei Staatsausgaben, etwa Förderungen, aber auch im Pensionssystem.

Selbstverständlich wird es unendlich schwer sein, Strukturen im Ausgabenwesen unseres Staates zu verändern, weil es sich hier um Klientelismus pur handelt. Hier versorgen unsere beiden Regierungsparteien ihre letzte verbliebene Stammwählerschaft. Aber eine "Steuerreform", die auf die höchste Steuerbelastung nur neue Steuern draufpackt, ohne bei den Ausgaben etwas zu tun, ist Selbst- und Wählerbetrug. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 10.5.2014)