Wer mit Giovanni Pontemonte ein paar Sushi essen geht, lernt bald, dass Pontemonte keine halben Sachen macht. Schon gar nicht, wenn er bei Sakai einfällt (genau, war Ewigkeiten im Unkai chefmäßig zugange). Und wenn die Speisekarte so gigantisch ausfällt wie hier, dann schwächelt Pontemonte frühestens kurz vor dem Dessert. Aber es kostet nur ganz wenig Energie, um ihn über diese kleine Schwäche hinwegzumotivieren, dass wir nach einem solchen Gewaltmarsch durch ungezählte Gänge keinesfalls so kurz vor der Nachspeis' aufgeben. Wie so eine Tour de Force auf Japanisch aussieht, sehen Sie unten - und wir haben beileibe nicht alles auf der Karte probiert. Leider.

Deshalb, und weil ich gerade so in Fahrt war und der Corti schon vom nächsten Japaner geschwärmt hat, hab ich gleich noch im Nihonbashi in den Ausläufern der Wiener Kärntner Straße. Um zu schmecken, wie bitter Fernweh für einen Seeigel sein muss.

So schön bunt geht's los mit einem Gruß aus der Küche mit Bergkräutern und Gmias im Sakai in der Florianigasse.

Foto: Harald Fidler

Wer mit Pontemonte isst, kommt ums Rind nicht herum: geschmort hier, butterzart, mit Schwarzwurzeln , Karotten, Zwiebeln. Gyuniko no nikomi, wie wir Aushilfsjapaner dazu fröhlich schmatzen.

Foto: Harald Fidler

Es geht auch mit Pontemonte vegetarisch - kurz jedenfalls, und wenn ich das jetzt bloß richtig zuordne: Takeno Kinpira. Schwarzwurzel und Bambussprossen, mit Sesamöl und Soyasauce gegart.

Foto: Harald Fidler

Kani Toujimushi, zart-filigrane Yuba-Teigtasche mit Krabbenfleisch, Gemüse, Tempurasauce und einer Senfgewürzpaste namens Karashi.

Foto: Harald Fidler

Optisch eher albern, geschmacklich eines meiner Highlights: Gomadofu. Ein Tofu aus Sesam und Kuzu, lerne ich, und dazu: Kuzu ist eine Lianenart mit Hülsenfrüchten. Ich Dilettant sage: Sehr spannend nussig, die Tofu-Miniknacker. Und optisch ein bisserl albern. Kommt übrigens mit Wasabi (haben Sie längst entdeckt) und auf Sojasauce.

Foto: Harald Fidler

Und schon wieder einer meiner Lieblinge: Ika Somen Unizoe. Dünne Streifchen roher Tintenfisch, darauf sehr, sehr cremig-frischer Seeigel. Offenkundig ein Igel ganz ohne Fernweh ans Meer, weil schnell genug gereist und verspeist.

Foto: Harald Fidler

Soll man längst nicht mehr thun, ich red mich auf Pontemontes Bestellung aus: Yamakake Maguro, Thunfisch leider voller Pracht, gesichert mit einem verdammt glitschigen Topping aus Rettich und mit geriebener Yamswurzel.

Foto: Harald Fidler

Die - übrigens wirklich hervorragenden - Miso-Suppen hab' ich nicht abgebildet, das wird erfahrungsgemäß nicht wirklich schön, so sehr ich mich auch bemühe. Den mindestens so guten Agedashi Tofu hab ich offenbar vergessen abzubilden, wie das bloß passieren konnte!

Im Bild dafür, ein bisschen schöner als Misosuppe auf einem Foto von mir je werden kann: Kapelan gegrillt mit in Reisessig mariniertem Gemüse. Sarde in Saor auf Japanisch, quasi- und halt doch ziemlich anders und ziemlich gut. So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie ein ganzes Fischerl im Pontemonte verschwand.

Foto: Harald Fidler

Damit wir nicht ganz so hungrig zu den richtigen Fleischgängen kommen, schlug Pontemonte noch eine kleine Portion Nigiri-Sushi vor. Hervorragender Plan, vor allem, weil er mir die (für mich jedenfalls) spannenderen Ausgaben überließ wie Makrele und Tintenfisch und sich Lachs und Thun sicherte - und mir versicherte, sie zählten zu seinen bisher besten.

Foto: Harald Fidler

Aber definitiv nicht so gut (und spannend) wie die Wellhornschnecke, die ich mir im Parallelschwung bestellt hatte. Tsubu Sashimi ...

Foto: Harald Fidler

... hier noch einmal im Detail: sehr knackig, sehr gut. Musste auch Pontemonte zugeben.

Foto: Harald Fidler

Zeit für Fleisch, fand Pontemonte. Keineswegs zwingend, hielt ich dagegen und sagte "Tai No Kasumisozuke" - oder versuchte es wenigstens. Goldbrasse, eingelegt in Sakekasu-Paste, meinte ich damit. Und bekam beherzt, vielleicht sogar etwas zu beherzt geschwärzte Filets.

Aber womöglich lag die Schwärze ja an der Sakekasu-Paste, und ich Dilettant wusste sie nicht geziemend zu schätzen. Das orangerote Scherzerl an der Zitrone übrigens identifizierte ich - wieder einmal - als Rettich.

Foto: Harald Fidler

Pontemonte wollte zwar Fleisch, bestellte aber ... Gemüsetempura. Womöglich ein Versuch, irgendwelche japanische Gottheiten gnädig zu stimmen, die für ausgewogene Ernährung und angemessene Verdauung zuständig sind.

Ich bin ja nicht so der Tempura-Freund, aber gebe zu: Ich habe mir schon weit Schlechteres in meinem Leben aussebochen lassen.

Foto: Harald Fidler

Sehr, sehr gut, wiewohl auch nicht so richtig überraschend oder gar spektakulär: Sakairo Steak - übrigens wieder einmal mit Rettich.

Foto: Harald Fidler

An dieser Stelle schwächelte Pontemonte ernsthaft. Feigheit vor dem Dessert? Nicht nach einer solchen Tour de Force durch alle Seiten der Speisekarte (bis auf die Spießchen und Reis/Nudelgerichte).

Für mich also - gar nicht so dramatisch süße - Paste von roten Bohnen mit viel säuerlichen Früchten als Widerlager, mir nicht besonders aufgefallener Kuromitsu-Sauce - und wie einst im Unkai den netten bläulichen Agar-Agar-Würfelchen. Heißt in Summe: Anmitsu.

Foto: Harald Fidler

Wenn schon Dessert, dann mit dem nötigen Pomp, ließ Pontemonte auch das Personal mitstaunen (im Bildhintergrund) über seine Nachspeis, die nach meiner Erinnerung viel mit weißer Schokolade und Erdbeeren zu tun hatte und den Gionvanni recht fröhlich schmatzen ließ.

Foto: Harald Fidler

Wo ich gerade roh wie gewohnt war und fishy wie selten, und wo der Corti gerade den nächsten Japaner sehr toll beschrieben hatte: Da ging's am nächsten Tag noch einen Sprung in der Abenddämmerung ins Nihonbashi.

Wo ich gerade allein speiste, orderte ich Natto-Maki - die vergorene Bohne ist nicht gerade gesellschaftsfähig. Und dazu, wie es sich laut professioneller Lokalkritik geziemt,  ein paar Einzelsushi (Nigiri).

Und zwar: Ika, Unagi, Hoki Gai, also Tintenfisch, Aal, Trogmuschel (danke Wiki!) und Jakobsmuschel Alles schön und gut. Nur...

Foto: Harald Fidler

... Uni braucht a bisserl länger auf meinen Tisch. Und schmeckt nicht ganz so, wie ich es mir von einem Seeigel auf Reis und Seetang erwarte. Das Fernweh hat den kleinen stacheligen Racker  sehr verbittert. Das bekräftigt auch meine ausnehmend freundliche wie kundige Kellnerin: In Tokio sind sie zweifellos frischer, sagt sie etwas bedauernd.

Die nicht übermäßig sättigende Kombination von Einzel-Sushi im Nihonbashi kam auf 27,60 Euro. Pontemontes breites Interesse an der japanischen Küche ließ unsere gemeinsame Rechnung auf 172 Euro (bei ausgesprochen moderatem Getränkekonsum) steigen. (Harald Fidler, derStandard.at, 3.6.2014)

Foto: Harald Fidler