Ein Ghetto am Rande Jakartas soll einer Edelimmobilie weichen: Ascan Breuers Dokumentarfilm "Jakarta Disorder" zeigt, wie sich Betroffene dagegen wehren.

Foto: Golden Girls

Wien - "Jakarta ist eine Stiefmutter", sagt der Bauarbeiter, der von der hochgelegenen Etage des Rohbaus den Blick über die smogverhangene Metropole schweifen lassen kann. Er meint es nicht wohlwollend - er kenne drei Kollegen, die während ihrer Tätigkeit in die Tiefe gestürzt sind. Berufliche Alternativen sind allerdings für diese Leute aus den ärmeren Schichten Indonesiens kaum vorhanden: "Es ist eine grausame Stadt."

Der junge Mann hat gleich in mehrfachem Sinne recht. Denn die Hochhäuser werden in einem Areal Jakartas hochgezogen, an dem sich die sogenannten Kampungs befinden, Armenviertel, die vor allem Migranten auf ungewidmetem Land errichtet haben. Die Kontraste könnten kaum größer sein: auf der einen Seite das improvisierte Gassenwerk, in dem sich Menschen ein Heim zusammengeflickt haben und wo manche noch mit Ziegen und Kühen wie auf dem Land leben; unmittelbar daran grenzen die Reißbrettarchitekturen, wo Wohnungen für die betuchteren Bewohnern der Boomtown entstehen sollen.

Ascan Breuer, selbst familiär mit Indonesien verbunden, fasst diese Diskrepanz in Jakarta Disorder wiederholt in Einstellungen zusammen. Der Fokus des Dokumentarfilms, den er über fünf Jahre hinweg recherchiert hat, liegt jedoch auf jenen Bewohnern der Kampungs, die der Verdrängungspolitik nicht tatenlos zusehen. Eine eigene Organisation, das Urban Poor Consortium (UPC), tritt in Form einer Graswurzelbewegung für diesen nichtrepräsentierten Teil der Bevölkerung ein.

Breuer durchläuft einzelne Etappen der Bewusstseinsbildung, zeigt politische Basisarbeit - wer keine Stimme hat, muss sich mobilisieren, Unterstützer finden. Zwei Aktivistinnen, Wardah und Oma Dela, erhalten eine hervorgehobene Position: Dela lebt selbst in einem der betroffenen Viertel, Wardah, die auch das UPC vertritt, kennt deren Defizite. Forderungen wie jene nach einer rechtlichen Absicherung der dort praktizierten Arbeit und ein Ende der Vertreibungen werden an die Unterstützung eines Präsidentschaftskandidaten geknüpft.

Das Engagement der beiden Protagonistinnen bildet Jakarta Disorder auch auf einer emotionalen Ebene ab - ihr Weg ist beschwerlich, Bürokratien bedeuten nicht das einzige Hindernis. Musik unterstreicht die Dynamik des Geschehens zuweilen etwas über Gebühr. Manchmal neigt der Film auch zu impressionistischen Details, welche die prekären Lebenssituationen nicht weiter erhellen. Kleinere Unebenheiten in einem Film, der lieber konkret die Mühsal der Selbstorganisation verfolgt, als Phrasen über globale Gefälle zu schwingen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 9.5.2014)