Suche nach den Wurzeln: der Dokumentarfilm "Das Kind in der Schachtel" von und mit Gloria Dürnberger. 

Foto: NGF

Im Jahr 1981 wird in Wien ein wenige Monate alter Säugling dem Jugendamt übergeben. Die Mutter, vom Kindsvater verlassen und an einer psychischen Erkrankung leidend, fühlt sich außerstande, ihr Kind allein großzuziehen. Das kleine Mädchen findet liebevolle Aufnahme in einer Pflegefamilie. Der Kontakt zur leiblichen Mutter bleibt erhalten - und auch ein Gefühl der Entwurzelung, des Verlassenseins, das offenbar noch die junge Frau umtreibt, zu der das Kind inzwischen herangewachsen ist.

Diese Erfahrung hat nun zu einem Dokumentarfilm geführt, der wiederum eine klar umrissene Funktion hat: Er soll der Filmemacherin Gloria Dürnberger, die selbst dieses Kind in der Schachtel ist, zur "Suche nach den Wurzeln" dienen. Die zweite zentrale Protagonistin ist Dürnbergers biologische Mutter. Ihre Tochter sucht sie im Verlauf des Films wiederholt auf, um in Sitzungen vor der Kamera Antworten auf immer noch drängende Fragen zu erhalten.

Das Kind in der Schachtel, der bei der Diagonale im März uraufgeführt wurde und gleich den Publikumspreis erhielt, ist also eine Art filmische "talking cure". Zugleich erzählen die Gesprächssituationen, auf die er fokussiert, auch etwas von den Grenzen, an die die Sprechenden stoßen - zumal es keine Außenperspektive gibt: Erinnerungen an früher lassen sich nicht immer zur Deckung bringen (die Ziehfamilie erinnert ein "ganz fröhliches" Kind). Beweggründe und Auswirkungen von Handlungen sind nur bedingt vermittelbar.

Allmählich scheint es aber, als fänden Tochter und Mutter doch ein Stück zusammen - eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei ein anderer Film: Super-8-Aufnahmen jener glücklichen jungen Frau, die die Mutter einst war, Bilder, die zeigen, "wie man aussieht, bevor das Leben einen zerfrisst". (irr, DER STANDARD, 9.5.2014)