In Österreich sind etwa 300.000 Menschen von chronischer Herzschwäche betroffen, in Europa etwa 28 Millionen. Viele der Patienten kommen erst relativ spät zu Diagnose und Therapie, warnen Experten aus Anlass des bevorstehenden Europäischen Tages der Herzinsuffizienz bei einer Pressekonferenz.
Unterschätzte Gefahr
Die chronische Pumpschwäche des Herzens ist oft die Spätfolge eines Herzinfarkts oder von lange bestehendem Bluthochdruck - ihre Gefährlichkeit wird unterschätzt. "Nach der Erstdiagnose versterben ein Drittel der Patienten im ersten Jahr. Mit einer adäquaten Therapie können wir die Lebenserwartung der Herzinsuffizienz-Patienten verdoppeln", sagt Deddo Mörtl von der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft.
Die Mortalität bei chronischer Herzschwäche übersteigt jedenfalls jene vieler Krebserkrankungen. Doch eine repräsentative Umfrage, an der 1.000 Österreicher über 50 Jahren teilnahmen, zeigte, dass 91 Prozent der Bevölkerung die Gefährlichkeit unterschätzen. 85 Prozent halten zumindest ein typisches Symptom (etwa Kurzatmigkeit bei Belastung, Hustenanfälle im Liegen, geschwollene Beine und rasche Gewichtszunahme) bloß für eine Alterserscheinung.
Zu kleine Ambulanzen
Klinische Untersuchung, EKG, Herzultraschall und die Bestimmung des Biomarkers BNP (B-Typ natriuretisches Peptid) im Blut sind die wichtigsten Diagnoseverfahren. Die Therapie hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Doch es gibt in Österreich laut den Fachleuten erhebliche Management- und Koordinationsmängel im Gesundheitswesen. "Wir haben das Problem, dass die Spitalsambulanzen zu klein sind", sagte Christian Ebner, Leiter Arbeitsgemeinschaft Herzinsuffizienz der Kardiologen.
In Österreich komme es zu einem "Schneeballsystem", das oft immer mehr Patienten in den falschen Versorgungseinrichtungen generiere. Zu viele Erstdiagnosen an Herzinsuffizienz werden im Spital gestellt, was automatisch zu Ambulanzbesuchen führt. Viele der Kontrolluntersuchungen und die ständige Begleitung könnten bei niedergelassenen Ärzten (Allgemeinmediziner, Internisten) erfolgen.
Falsche Steuerung
International - so Ebner - gehe man davon aus, dass die meisten Erstdiagnosen beim niedergelassenen Arzt erfolgen könnten. Patienten in den beiden leichteren Stadien (NYHA I und NYHA II) sollten in der niedergelassenen Praxis betreut werden. Kranke im Stadium NYHA III sollten zwar regelmäßig von Spezialisten gesehen werden, könnten bei stabiler Situation aber ebenfalls außerhalb von intramuralen Einrichten betreut werden. Naturgemäß intensiv muss die Versorgung im letzten Stadium (NYHA IV) sein.
Doch im österreichischen Gesundheitswesen stehen einer koordinierten und Netzwerk-ähnlichen Versorgung offenbar noch Hindernisse durch die Frequentierung der Versorgungsangebote und falsche Steuerung gegenüber. "Wir haben seit dem Jahr 2000 in Österreich um 900 Kassenvertragsstellen weniger. Die BNP-Laboruntersuchung wird derzeit noch nicht flächendeckend von den Krankenkassen bezahlt", sagt Johannes Steinhart von der Ärztekammer.
Überlastete Spitäler
Dies gebe nur bei den bundesweiten Krankenkassen - und auch da nur im Rahmen eines gedeckelten Finanzrahmens. Deckelungen und starke Beschränkungen existierten auch beim 24-Stunden-EKG sowie bei Herzultraschall- untersuchungen.
Daraus ergeben sich mehrere negative und kostenintensive Effekte: Die Spezialambulanzen in den Spitälern sind überlastet. Oft landen Kranke zunächst in den falschen Krankenhausabteilungen und Ambulanzen. Betroffene bekommen erst spät die Diagnose, was sie gefährdet. Unzureichend betreute Herzinsuffizienzpatienten haben ein hohes Risiko für teure Spitalsaufnahmen. (APA, derStandard.at, 8.5.2014)