Wagemutiges Projekt: Das Hotel St. Oswald von Christoph und Anna Scheriau (Erster und Dritte von rechts) wird für einen Monat vom Künstlerkollektiv AO& (Philipp Furtenbach und Philipp Riccabona, ganz links, sowie Thomas A. Wisser, Zweiter von rechts) bespielt. Philip Rachinger (Mitte, mit roter Haube) wird die Feinheiten aus der Küche beisteuern.

Foto: AO&

Das Hotel Konkurrenz stellt gängige Vorstellungen von Tourismus auf den Kopf - oder vom Kopf auf die Füße.

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Philip Rachinger, immerhin Österreichs jüngste Hoffnung auf internationale kulinarische Relevanz, hätte im elterlichen Hotel Mühltalhof (siehe RONDO-Restaurantbesprechung "Das Ende der Fitzelei" vom 21. Februar) genug um die Ohren. Als aber das Angebot kam, in einem Hotel in Bad Kleinkirchheim für einen Monat die Küche zu schupfen, da konnte er nicht ablehnen. Im Gegenteil, mit seinem Freund Anton de Bruyn, der wie er im Steirereck gelernt hat und zurzeit in der Küche des extrem lässigen, extrem gehypten Clove Club in London werkt, lotste er gleich noch einen kochtechnisch Hochbegabten in die Kärntner Nockberge.

Damit scheint gesichert, dass das, was dort von 14. Mai bis 15. Juni im Hotel St. Oswald abläuft, aus kulinarischer Sicht zu einem Top-Happening wird. Die beiden Jungstars werden - unterstützt von Philipp Hörschläger, einem weiteren Steirereck-Alumnus - die Küche überhaben, wenn der massiv auf eine Alm geklotzte Hotelkasten aus den 1970er-Jahren zum Objekt und Schauplatz einer ziemlich abgehobenen Kunstperformance wird.

"Hotel Konkurrenz" ist das neue Projekt der Künstlergruppe AO& (RONDO-Lesern etwa als Veranstalter des "Wiener Forums zur Imbisskultur" in der Vorweihnachtszeit 2011 ein Begriff , Anm.) und versteht sich als Kommentar zum Status quo eines ebenso zentralen wie heftig gebeutelten Wirtschaftszweigs: Tourismus. Die Gruppe um Mastermind Philipp Furtenbach wurde von Edelbert Köb als Kurator der Land-Art-Initiative Nock/Art angefragt, ob sie in der Tourismusgemeinde eine Intervention schaffen wollte. "Eigentlich waren wir uns nach einem Besuch schon sicher, dass wir das nicht machen", sagt Furtenbach, "einerseits weil wir uns vom Tourismus instrumentalisiert vorkamen und anderseits weil wir dieser von Seilbahnen, Hotelkästen und Schneekanonen zerschundenen Landschaft nicht auch noch ein Kunstobjekt zumuten wollten". Dann aber stand da plötzlich das Luxushotel St. Oswald in der Landschaft, ein "zwar monströser Komplex", so Furtenbach, " gleichzeitig aber ein Bau mit skulpturaler Qualität" von surrealer Schönheit. Hier, so Furtenbach, hätten sie sich gleich vorstellen können, einen Kommentar zu jener absurden Spirale zu formulieren, die der Massentourismus gerade kleinen Alpendörfern wie Kleinkirchheim aufzwingt (das Prefix "Bad" wurde aus rein marketingtechnischen Gründen hinzugefügt) und die die Hotelbetriebe in mörderische Konkurrenz zueinander zwingt, schlussendlich aber stets nur "more of the same" zustande bringt: Frühstücksbüffets, die sich vor Beliebigkeit biegen, Wellnesstempel von erdrückender Gleichförmigkeit, wie aufgezogen wirkende Mitarbeiter, die aus vorgekauten Satzkomponenten Gastfreundschaft und gute Laune zusammenplappern müssen.

Hotel Electric

Das Hotel St. Oswald ist ein besonderes Relikt einer von wahnwitzigem Optimismus geprägten Zeit (der Bau ist bis in kleine Details kaum verändert und wird immer noch komplett mit Strom geheizt!). Zugleich aber hat hier unlängst ein Generationenwechsel stattgefunden. Die Geschwister Anna und Christoph Scheriau sind frisch am Ruder und waren bereit, sich auf das Wagnis einzulassen, ihr Haus zwischen den Saisonen aus der Hand zu geben, um zu sehen, was das Künstlerkollektiv - neben Furtenbach wie stets auch Philipp Riccabona und Thomas A. Wisser - daraus formen würde. Ab kommender Woche wird es hier alles geben, was einen Hotelbetrieb ausmacht.

Gleichwohl sollten sich die Gäste (Vollpension um 125 Euro pro Person im Doppelzimmer, 55 Euro in den zu Mehrbettzimmern umfunktionierten Suiten mit eigener Sauna) aber ganz andere Annehmlichkeiten erhoffen, als jene, die man gemeinhin zu erwarten gelernt hat. Das beginnt - als einer von mehreren geradezu chirurgisch wirkenden baulichen Eingriffen der Künstler in den Alpinbarock der 1970er - schon beim Eingang, wo die Teilnehmer durch einen komplett schwarzen, nur von einer alten Messinglampe beschummerten Raum geleitet werden, Wasser und Schnaps gereicht bekommen, sich die Hände waschen und eine erste Einführung auf das erhalten, was auf sie zukommt.

Zum Beispiel eine kompromisslose, von niemand anderem als Roland Velich kuratierte Weinkarte, auf der es bedeutende Rebsorten ausschließlich aus jenen Gebieten geben wird, in denen sie idealtypisch zur Geltung kommen. Keine Angst: Neben richtig großen Namen wird man auch extrem preiswerte Entdeckungen machen dürfen.

Oder, als Herzstück, ein Dauerkunsthappening vom Feinsten, mit Musik, Film, Symposion und Talks, von Musikern und DJs wie Philipp Sollmann, Dorian Concept und Werner Jakits bis zu Kapazundern wie Hans Schabus, Michael Strasser oder Michelangelo Pistoletto. Und all das im Spannungsfeld, das so ein alpines Hoteldenkmal vermittelt, das vier Tage nach Ende der Spielzeit wieder von "normalen" Pauschalgästen bezogen werden wird.

Wer ein paar Tage im Hotel Konkurrenz bucht, kann davon ausgehen, dass er mit Programm und Software der Extraklasse verwöhnt wird. Er sollte aber nicht vergessen, dass er sich damit auch zum Teil eines Kunstprojektes macht, das den Status quo der Tourismuswirtschaft ganz grundlegend infrage stellt. Die Gefahr besteht also, dass die Ferien im Hotel einem danach vielleicht nicht mehr so gefallen wollen - einfach weil der Horizont dessen, was möglich ist, plötzlich essenziell erweitert wurde. (Severin Corti, DER STANDARD, Album, 9.5.2014)