Der Pinocchio unter den Raubsauriern: Paläontologen entdeckten einen nahen Verwandten, von T. rex, der ihm im Profil auffällig unähnlich sieht.

Illu: Chuang Zhao

Aufnahme des Qianzhousaurus-Schädelknochens: Oben das Oberkiefer in linker Seitenansicht, unten das Unterkiefer in rechter Seitenansicht.

Foto: Junchang Lu

Bild nicht mehr verfügbar.

Groß und klein: Eine Familiencollage durch Jahrmillionen.

Illu: Reuters/Julius Csotonyi

Peking - Die Liste der bekannten Tyrannosauridae, also der Mitglieder jener Familie, der auch T. rex angehörte, ist um einen Namen länger: Qianzhousaurus sinensis. Oder, wie Forscher der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Edinburgh ihn informell nennen, "Pinocchio rex". Diesen Spitznamen verdankt der Raubsaurier einem auffälligen Attribut, das ihn deutlich von seinen Verwandten unterscheidet: er verfügte über eine ziemlich lange Schnauze.

Schon länger rätselten Paläontologen, ob es Tyrannosauridae mit diesem Merkmal gab. Zwei Schädelfunde von Jungtieren gaben Anlass zur Spekulation, doch war unsicher, ob es sich dabei tatsächlich um eine neue Spezies handelte oder ob die längliche Kopfform lediglich vorübergehend in einer Wachstumsphase auftrat.

Längerer, schwächerer Kiefer

Nun berichten die Paläontologen im Fachblatt "Nature Communications" von einem gut erhaltenen Fund eines nahezu ausgewachsenen Exemplars in Südchina, der die Unklarheiten beseitigt: Bei Qianzhousaurus sinensis, der vor mehr als 66 Millionen Jahren im asiatischen Raum lebte, handelt es sich tatsächlich um eine eigenständige Art. Von T. rex dürften ihn nicht nur seine längere Schnauze, sondern auch schmälere Zähne und ein weniger kräftiger Kiefer unterschieden haben. Die Wissenschafter nehmen deshalb an, dass sie sich auf andere Beutetiere spezialisierten und damit nicht in direkter Konkurrenz mit kurzschnauzigen Fleischfressern standen.

Mit einer Länge von bis zu zehn Metern und einem Gewicht von etwa 800 Kilogramm zählte auch "Pinocchio rex" zu den großen landlebenden Fleischfressern seiner Zeit. Langfristig kein Vorteil, wie Forscher in einer zweiten Studie im Fachblatt "Plos Biology" berichten: Sie untersuchten das Körpergewicht von 426 Saurierarten und kamen zu dem Schluss, dass die wahren evolutionären Erfolgsmodelle nicht die Großen, sondern die flexiblen Kleinen waren.

Erfolgreich klein

Die Gewichtsunterschiede zwischen den Spezies, die freilich auch zeitlich bis zu 170 Millionen Jahre auseinanderliegen, sind immens: So wog Qiliania graffini, Vertreter einer frühen Vogelgattung, bei einer Körperlänge von 20 Zentimetern gerade einmal 15 Gramm, während es Spezies der Sauropoden-Gattung Amphicoelias bei mehr als 50 Metern Länge auf bis zu 150 Tonnen Gewicht gebracht haben könnten. 

Obwohl fossile Funde häufig von großen Arten stammen, ist anzunehmen, dass der Großteil der Dinosaurierspezies vergleichsweise klein war, so die Forscher. Und obwohl es spätestens ab Beginn des Jura einen deutlichen evolutionären Trend hin zu Größenzuwachs gab, könnte diese Entwicklung in manchen Zweigen bestimmter Saurierfamilien ab Mitte des Jura wieder rückläufig gewesen sein.

Und genau das dürfte in einigen Fällen der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg gewesen sein: Nur durch schnelles evolutionäres Schrumpfen und stetige Anpassung konnten etwa Vertreter der Gruppe der Maniraptora neue ökologische Nischen erschließen und so das Massensterben am Ende der Kreidezeit überleben. Unter ihnen die Vorfahren der heutigen Vögel. (David Rennert, DER STANDARD, 8.5.2014)