Wien - Der Wunsch nach einem "starken Führer" hat in Österreich zugenommen. Laut einer SORA-Umfrage sehnen sich 29 Prozent nach einem autoritären Machthaber. Dennoch zeigte die Studie im Auftrag des Zukunftsfonds, die am Mittwoch präsentiert wurde, ein "kritischeres Bewusstsein" gegenüber dem Nationalsozialismus. Mehr als die Hälfte wünschen sich aber auch ein Ende der Diskussion über den Holocaust.

1.015 Österreicher wurden von SORA von Jänner bis Februar zu ihrem Geschichtsbewusstsein befragt, wobei auch gegenteilige Entwicklungen zutage gefördert wurden: So sehen rund die Hälfte der Befragten "nur Schlechtes" beziehungsweise "großteils Schlechtes" durch den Nationalsozialismus. 36 Prozent der Befragten sind der Meinung, die NS-Zeit habe "sowohl Gutes als auch Schlechtes" für Österreich gebracht, immerhin noch drei Prozent sehen "großteils" positive Auswirkungen des Nationalsozialismus. Verglichen mit einer Studie aus dem Jahr 2005 sehe man die NS-Zeit nun negativer, betonten die Autoren.

"Erstes Opfer"

Nach wie vor finden 42 Prozent der Österreicher die Formulierung richtig, dass Österreich das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen sei. Signifikante Unterschiede bei der Beantwortung ortet Martina Zandonella von SORA in der jeweiligen Bildung der Befragten - Österreicher mit höherem Schulabschluss seien dem Nationalsozialismus gegenüber deutlich negativer eingestellt als jene mit geringerer formaler Bildung. Ebenso verhalte es sich mit der jeweiligen "Verunsicherung" der Befragten: Eher Versunsicherte hätten auch eine größere Sehnsucht nach autoritären Systemen und seien politisch eher der FPÖ zugeneigt.

"Apathie führt zu Führersehnsucht"

Obwohl 85 Prozent der Aussage "sehr" oder "ziemlich" zustimmten, dass es sich bei der Demokratie um die "beste Regierungsform" handle, wünschen sich 29 Prozent einen "starken Führer, der sich nicht um Wahlen und Parlament kümmern muss". Auch dafür sieht der Historiker Oliver Rathkolb hohe Verunsicherung etwa aufgrund der schlechten Wirtschaftslage als Ursache: "Die sozioökonomisch verursachte Apathie führt zu einer Führersehnsucht." Die Antwort darauf müsse die Politik geben, meint Günther Ogris von SORA: "Es fehlt eine klare Zukunftsvision."

Weniger Erinnerungskultur

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Trotz zunehmenden Geschichtsbewusstseins sehnen sich mehr Österreicher nach einem Ende der Debatte über Nationalsozialismus und Holocaust. Insgesamt stimmen etwas mehr als die Hälfte dieser Forderung zu, in der Gruppe der "Verunsicherten" waren es knapp zwei Drittel. Die Studienautoren sehen darin vor allem eine "Historisierung" des Themas, die Erinnerungskultur sei insbesondere in der jüngeren Generation ein abnehmendes Anliegen. (APA, 7.5.2014)