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Dem ANC von Jacob Zuma (Bild: Plakate in der Township Khayelitsha, Kapstadt) drohen empfindliche Verluste.

Foto: Reuters / Mark Wessels

Die ersten Wahlen ohne Nelson Mandela werden in Südafrika stark diskutiert. Am Mittwoch entscheidet das Land über ein neues Parlament - und damit über den Präsidenten. Es ist die am heftigsten umkämpfte Wahl seit 1994: Im zwanzigsten Jahr der Demokratie und der Befreiung von der weißen Apartheidregierung steht Mandelas einstige Partei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC) vor einer großen Herausforderung. Denn die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über massive Korruption in der Regierung ist gewachsen. Die meiste Empörung verursacht Präsident Jacob Zuma mit der "Nkandla-Saga", dem Ausbau seines Wohnsitzes in seiner Heimat Kwazulu-Natal - größtenteils aus Steuergeldern. Seine Partei hat einen unabhängigen Untersuchungsbericht zu diesem Skandal heruntergespielt.

Derweil wird die schlechter gewordene Infrastruktur im Land vernachlässigt, und die Probleme der Armen sind frappierend: Eine hohe Arbeitslosigkeit verstärkt die Armut. Viele Menschen bleiben ungebildet, und gerade die ausgebildete Jugend findet häufig keinen Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Die soziale Spannung findet fast täglich Ausdruck in Protesten in den Townships. Besonders die gewaltsamen Unruhen in den Bergbaugebieten und anhaltende Streiks der Kumpels, die höhere Löhne fordern, sorgen für finanzielle Einbußen in der einst blühenden Gold- und Platinindustrie. Trotz erheblicher Erfolge der früheren Befreiungsbewegung des ANC, die Regenbogennation in eine gerechtere Gesellschaft zu transformieren, spricht ein Uno-Bericht von einem Viertel der Nation in Armut. Rund 40 Prozent der Südafrikaner sind angeblich arbeitslos.

Auf genau auf diese Gruppe zielt die neue Partei EFF (Economic Freedom Fighters) des einstigen ANC-Jugendliga-Führers Julius Malema ab: "Die greifen nach denen, die nichts zu verlieren haben, denn sie haben nichts", so der Kommentator Aubrey Matshiqi.

Revolution und Umwandlung

Malema gilt jedoch nicht als überzeugendes Vorbild, denn er selbst liebt Luxusgüter und hat Betrugsverfahren am Hals. Doch er spricht von "Revolution und Umwandlung" der größtenteils in weißen Händen befindlichen Wirtschaft zugunsten der schwarzen Massen. Er will die Bergwerke nationalisieren und die Landumverteilung an Schwarze radikal durchsetzen. Das kommt an. Antikapitalistische Parolen befriedigen diejenigen, die sich vom Reicherwerden der schwarzen Elite und der zunehmenden Mittelschicht auch im neuen Südafrika ausgeschlossen fühlen.

Für große Wahlsiege wird es aber nicht reichen. Die Wahlen in Südafrika sind eigentlich entschieden: Der ANC wird immer noch vom Kredit der Befreiung leben - und vom Mangel an Alternativen. Die Frage ist nur: Wird die Partei noch eine Zweidrittelmehrheit einfahren oder die symbolische Hürde gar erstmals nicht überspringen? Die meisten Südafrikaner glauben, es werde einen Denkzettel für die Partei am Scheideweg geben. Die Linke, Verbündete des ANC, ist auch unzufrieden mit Zumas Kurs. Und es wird Überläufer zu den neuen Parteien aus dem linken und konservativem Spektrum geben.

Zuwachs für die Opposition

Dabei spielt die größte Oppositionspartei DA eine Rolle: Sie erhielt über die Jahre stetig Zuwachs. Ihre Kampagnen sind aggressiv und zielen darauf ab, nicht nur in der Heimat am Kap zu siegen, sondern auch in der ANC-Metropole um Johannesburg mehr Unterstützung zu erhalten. Die DA ist vielen traditionellen ANC-Wählern aber noch zu weiß, obwohl sie mit der Anführerin Helen Zille in zahlreichen Townships tourt und auch mehr schwarze Politiker verpflichtet hat als vor 20 Jahren, als sie aus der weißen konservativen Parteienlandschaft hervorkam.

Die streitlustige Zille verspricht eine echte gesellschaftliche Transformation, ein Wirtschaftswachstum von acht Prozent und sechs Millionen Jobs in den nächsten zehn Jahren - und hofft auf 30 Prozent der Wählerstimmen.

Aber nicht nur EFF und DA verändern die Dynamik in der politischen Landschaft: Die neue Partei Agang versucht, ANC-Wähler in der Mittel- und Oberschicht zu gewinnen. Mit Mamphela Ramphele, Exweltbankmanagerin und Exgeliebte des Antiapartheidkämpfers Steve Biko, besitzt Agang eine charismatische Führung und trägt zum Wandel der politischen Szene bei. Obwohl die Glaubwürdigkeit von Mandelas ANC auf dem Spiel steht: In dieser Wahl werden zunächst die Grundsteine für eine breite Mehrparteiendemokratie gelegt. (Martina Schwikowski, DER STANDARD, 6.5.2014)