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Die Weitergabe des Vorsitzes im Europarat erfolgt alphabetisch. Dass Aserbaidschan nun an der Reihe ist, stört Kritiker wegen der vermehrten Übergriffe auf Oppositionelle.

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GrafiK: APA/DER STANDARD

Levan Asatiani von Amnesty International wünscht sich mehr internationalen Druck auf die Regierung von Aserbaidschan.

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Baku/Wien - Wenn Österreich heute, Dienstag, den Vorsitz des Europarats an Aserbaidschan übergibt, entscheidet sich zur gleichen Zeit das Schicksal von acht jungen Aktivisten vor Gericht. Seit fast einem Jahr sitzen sie in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, im Gefängnis. Shahin Novruzlu, der Jüngste von ihnen, ist gerade einmal 18 Jahre alt.

Bei seinem Verhör "verlor" er vier Zähne, einem anderen Aktivisten riss das Trommelfell. Laut Amnesty International wurden die Verletzten monatelang nicht behandelt. Ihr Vergehen? Die jungen Männer sind Mitglieder von Nida, einer Jugendorganisation, die sich für Demokratie und Menschenrechte in Aserbaidschan einsetzt.

Übliche Vorgehensweise

Weil die Polizei bei Hausdurchsuchungen angeblich Waffen und Drogen bei ihnen gefunden hat, wurden sie am Dienstag von einem Gericht in Baku zu Haftstrafen zwischen sechs und acht Jahren verurteilt. Laut Menschrechtsorganisationen sind die Vorwürfe konstruiert. "Es ist eine übliche Vorgehensweise, Kritiker und Oppositionelle mundtot zu machen", meint Levan Asatiani von Amnesty International.

Er ist anlässlich der Konferenz von London nach Wien gereist, um die Zunahme von Repressionen und Menschenrechtsverletzungen in dem Land zu beschreiben, das ab 14. Mai offiziell den Vorsitz im Europarat antritt.

30 Außenminister haben sich für Dienstag angekündigt, darunter Andrij Deschtschyzja aus der Ukraine und sein britischer Kollege William Hague. Die Wiener Polizei verhängte kurzerhand ein Platzverbot für den Josefsplatz, zu groß seien die Sicherheitsbedenken. Auch Amnesty muss auf den Michaelerplatz ausweichen. "Wir sind nicht gegen den Vorsitz, im Gegenteil: Wir hoffen, dass damit mehr Druck auf Aserbaidschan ausgeübt wird, die Menschenrechte zu wahren", meint Asatiani.

Leyla Yunis festgehalten

Die jüngsten Entwicklungen weisen allerdings in eine andere Richtung: Erst vor wenigen Tagen wurde zum Entsetzten vieler Diplomaten Leyla Yunus, die Direktorin des Instituts für Frieden und Demokratie, an der Ausreise gehindert und stundenlang verhört.

Laut Asatiani wurde der bekannten Menschenrechtlerin der Pass abgenommen, ihr Mann erlitt einen Herzinfarkt. Ob man bei der Hausdurchsuchung auch zufällig etwas Strafbares gefunden hat, steht noch aus.

Derzeit sitzt Yunus in Baku fest. Bereits 2011 wurde ihr Büro auf Anordnung der Behörden mit Bulldozern zerstört - obwohl ein Gericht einige Monate zuvor den Abriss untersagte.

Des Wahlbetrugs bezichtigt

Den Zorn des Regimes dürfte Yunus endgültig im Oktober 2013 auf sich gezogen haben, als sie Präsident Ilham Alijew in den Medien des Wahlbetrugs bezichtigte. Was übrigens auch Wahlbeobachter der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) später bestätigten.

19 politische Gefangene hat Amnesty mittlerweile in Aserbaidschan gezählt, andere Organisationen sprechen von weit mehr. Einer davon ist der Journalist Rauf Mirgadirow, mit dem Yunus zusammenarbeitet und dem lebenslange Haft wegen Spionage für das verfeindete Armenien droht.

Im Vorfeld der Europaratskonferenz fand zumindest deren Menschenrechtskommissar Nils Muizniek klare Worte und tadelte Aserbaidschan wegen "ungerechtfertigter und willkürlicher Strafverfolgung". Als Mitglied des Europarats habe Aserbaidschan die Pflicht, die Menschenrechte uneingeschränkt umzusetzen. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 6.5.2014)