Nein, das ist kein politisches Statement. Ich hab's nur endlich geschafft, an der Tafel an der Ecke Landstraße / Seidlgasse in 1030 Wien nicht vorbeizurauschen. Und zu Elvira's Restaurant auf Nummer 39 abzubiegen, das innen- wie außenarchitektonisch nicht sehr schön ist.

Der überdachte Schanigarten verfrachtet im Prinzip eine Reihe holzgetäfelte Gasthaus-Ecken auf die Seidlgasse und vermittelt für einen Gastgarten ein ungewohnt hermetisch-rustikales Gefühl. Die Webseite ist merklich schmucker als Lokal und Datschengarten. Aber ich bin hier ja nicht als Aushilfs-Ästhetikpolizei, sondern höchstens als Hobbykoster.

Und der steht, nicht ganz überraschend, vor keiner leichten Aufgabe. Das lässt sich vielleicht ganz gut illustrieren anhand der Rubrik leichte Speisen in der Karte. Unter die reiht Elvira etwa hausgemachten Speck nach ukrainischer Art, zarte Pfannkuchen mit Fischrogen (Mlintzi, Schreibweise nach der Karte), Palatschinken mit Fleisch oder Kraut und jedenfalls Sauerrahm (Blintschiki), Krautrouladen mit Steinpilz-Sauce (Golubci) und Kartoffepuffer mit Sauerrahm.

Ich darf mich also nicht beschweren, wenn ich meine Vorspeise schon in der Rubrik vor den Leichtgerichten aussuchte: "Hering im Pelzmantel" (5,90 Euro).

Foto: Harald Fidler

Den unteren Saum des Pelzmantels um den Matjeshering bilden Erdäpfel, den Kragen rote Rüben, dazwischen meinte ich Karotten und Kraut zu entdecken und doch auch etwas Mayonnaise. Vereinen sich zu einem durchaus harmonischen, ziemlich homogenen Geschmacksbild ohne große Aufregung. Ich kann ja auch dem russisch genannten Salat oder Ei gelegentlich etwas abgewinnen und fand den Hering in seinem Mäntelchen durchaus schlüssig – wiewohl nicht gerade ein Leichtgericht für das, was ich mir noch vorgenommen hatte. Aber der Hering stand ja, korrekt eingeordnet, nicht unter den leichten Speisen.

Sehr hätten mich die hausgemachten Teigtaschen mit brauner Butter und Sauerrahm interessiert, Pelmeni also mit Fleisch oder Wareniki mit Fleisch oder Sauerkraut, Kartoffel und Pilz oder meinetwegen auch Schafkäse und Spinat. "Man gönnt sich was", steht darüber in der Karte, aber ich sorgte mich um meine Kapazitäten und vergönnte sie mir nicht. Auch süße Teigtaschen gibt's laut Tafel übrigens als Nachmittags-Kombiangebot mit Kaffee oder Tee.

Aber ich wollte ja unbedingt noch ein Hühnchen Kiew, seit mein Forscherdrang in Sachen Gebackenes zwischen Klosterneuburg und Bilbao erwacht ist.

Foto: Harald Fidler

Und so sieht Kiew (11,20 Euro) aus bei Elvira. Hühnerfilet, gerollt, und damit die Sache nicht so trocken wird, kommt in die Rolle ein Streifen Butter. Herausragend saftig wurde mein Huhn dadurch nicht, aber unter den panierten Hühnerfilets meines Lebens spielte dieses definitiv im oberen Mittelfeld.

Überrascht hat mich eine recht pfeffrige Note, die ich in der Panier verortete – wiewohl keineswegs negativ überrascht. Oft läuft es eben nicht überall nach westlichen Erwartungen. (Harald Fidler, derStandard.at, 6.5.2014)