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Am Landesgericht Wiener Neustadt starten im Mai gleich zwei interessante Prozesse.

Foto: Ronald Zak/dapd

Der beginnende Wonnemonat Mai wird für Gerichtskiebitze und politisch interessierte Menschen spannend. Denn am Landesgericht Wiener Neustadt, jenem österreichischen Gericht, das mit seiner notorischen Affinität für politisch heikle Verfahren auffällt, finden zwei Prozesse statt, die diesbezüglich einiges versprechen:

Am Dienstag, den 6.5., ist ab neun Uhr Neustart im Prozess gegen acht der gewerbsmäßigen Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung beschuldigte Pakistanis und Afghanen aus der "Refugee"-Votivparkbewegung der Jahre 2012 und 2013, im Rahmen derer Flüchtlinge sich selbst für asylpolitische Änderungen einsetzten. Sie sollen hunderte Landsleute gegen Entgeld illegal in und durch die EU gelotst haben.

Tierschützerprozess reloaded

Für eine Woche später, am  Dienstag, den 13. 5., ist die Wiederaufnahme des in Wiener Neustadt in den Jahren 2010 und 2011 zelebrierten Tierschützerprozesses angesetzt, der damals mit einem aufsehenerregenden Freispruch aller 13 Beschuldigten vom Vorwurf endete, eine Mafia ähnliche kriminelle Vereinigung laut Paragraf 278 StGB gebildet zu haben. Insgesamt fünf der damals Angeklagten werden in drei unterschiedlichen Prozesses angeklagt, die allesamt im Mai beginnen. Dabei wird unter anderem der Frage nachgegangen, inwieweit politische Kampagnenarbeit der rüderen Sorte als Nötigung im Sinne der Strafgesetzbuches (Strafandrohung: bis zu ein Jahr) zu werten ist: eine für die Zivilgesellschaft höchst zentrale Angelegenheit.

Beim Schlepperprozess handelt es sich um die Wiederaufnahme einer diesen März von Richterin Petra Harbich wegen unzureichender Faktenlage unterbrochenen Verhandlung: die Schleppereianklage (Strafandrohung hier: bis zu zehn Jahre Haft) fußt auf über 10.000 Telefonabhörmitschnitten, die übersetzt wurden - aber so, dass bei ersten Anhörungen und Befragungen vor Gericht völlig unklar erschien, wer da wann was gesagt hat. Der neue Prozessanlauf wird mit der Befragung der Dolmetscher starten.

Strafwürdige Kampagnen?

Gemeinsam ist all diesen Causen, dass sie fast ausschließlich politisch aktive, gesellschaftskritische Personen vor Gericht bringen. Im Fall der Tierschützer sollen diese laut Anklage im Rahmen ihrer politischen Arbeit gegen Strafgesetze verstoßen haben: vier der fünf Beschuldigten wegen Nötigung, einer wegen Tierquälerei, ein weiterer wegen Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Die der Schlepperei Beschuldigten wiederum sollen sich ihrem politischen Engagement als Menschenschmuggler betätigt haben.

Dieser politische Zusammenhang erklärt die erhöhte Aufmerksamkeit kritischer Prozessbeobachter für die Fälle, denn manches in der Vorgeschichte der Verfahren konnte den Verdacht aufkommen lassen, der dass hier Aktivisten mundtot gemacht werden sollen. Bei den Tierschützern sprechen jahrelange Ermittlungen und Ausspähungen dafür, die in eine martialische Anklage mündeten, für die im  monatelangen Beweisverfahren dann jede stichhaltige Begründung fehlte.

Bei den der Schlepperei beschuldigten Asylwerbern wiederum war es vor allem das Timing: mitten in die von der Refugee-Bewegung ausgelösten asylpolitischen Diskussionen platzte die Nachricht des polizeilichen Zugriffs, der darauf schließen ließ, dass es sich bei den Aktivisten zum Teil um Verbrecher handle.

Grundlos eingesperrt?

Gemeinsam ist sämtlichen in den verschiedenen Verfahren Angeklagten aber auch, dass sie vor der Anklageerhebung, während der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, wochen- bis monatelang in U-Haft saßen. Sie wurden wegen strafrechtlich schweren Verdachte eingesperrt; im Tierschützerfall hat sich die Begründung dafür(Paragraf 278a) als nicht stichhaltig herausgestellt.

Die Frage nun ist, wie sich das im Fall der pakistanischen und afghanischen Asylwerber verhält, von denen fünf bis zu ihrer Enthaftung beim ersten, missglückten Prozessstart immerhin acht (!) Monate eingesperrt waren. Auch Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty in Österreich, sieht dies als einen zentralen Punkt an, denn Freiheitsentzug hat immer Strafcharakter. Auch U-Haft, die in Österreich wahrlich kein Ort für lästige Kritiker sein darf. (Irene Brickner, derStandard.at, 5.5.2014)