Time out! Ohne Pausen sinkt die
Effizienz immer schneller.

Foto: www.istockphoto.com / sb-borg

Die Arbeitswelt steht unter Druck, den sie ungebremst an die Arbeitenden weitergibt. Schönreden lässt sich die Situation genau so wenig wie das gesetzliche Verordnen einer Umkehr. Die Art und Weise, wie wir Arbeit betrachten, ist von Mustern durchsetzt, Arbeit als etwas Ernsthaftes, auch mit viel Ritualhaftem, vielen Regeln. Nur kaum mit Wohlfühlen oder gar Spaß.

Die Beschleunigung von Prozessen unterbindet Kommunikation, Beziehungspflege oder gar Pausenkultur. Zeiterfassungssysteme greifen immer mehr in die Lebenswelten arbeitender Menschen ein. Berater kümmern sich um Beschleunigungsprozesse, der rasche Wechsel von Führungspersonen bringt ein Auseinanderdriften von Beziehungsmustern und schwere Irritationen von Unternehmenskulturen.

Wer sich aber nie hinsetzen kann und sein Werk mit Freude über das Gelingen genießen darf, weil bereits die nächste Umbauphase angelaufen ist, wird nie fertig, ist nie gut genug. Gesundheit selbst ist selten Teil der Arbeit. Dabei leben wir entweder jede Sekunde unseres Lebens gesund oder eben nicht. Den ganzen Arbeitstag nicht gesund zu leben und dann am Abend alles ausbalancieren zu wollen ist grober Unfug.

Nichts kann "nachgeholt" werden. So wie unsere Haut sich jeden Sonnenbrand ein Leben lang merkt, registriert die interne Buchhaltung im Organismus alle Abweichungen vom gesunden Lebensstil. Ohne Ausnahme. Aber auch unser Gehirn spielt eine wichtige Rolle.

Zu viel Fassadenkosmetik

Pausenloser Arbeitsdruck reduziert nicht nur die Gesundheit, sondern auch Motivation (kein Dopamin im Belohnungszentrum) und begrenzt die Leistungskraft nahezu in dramatischem Ausmaß. Die Stresshormone reduzieren den Datenverkehr über den Hippocampus, und das Gegenteil der gewünschten Effekte tritt ein. Da nutzen auch Apfelkörbe nichts. Gutscheine für Fitness oder Massagen greifen nicht in die krankmachenden Abläufe ein und bewirken daher nur Fassadenkosmetik.

Entweder werden alle Arbeitsschritte auf ihren Gesundheitswert hin untersucht und direkt (mittendrin oder direkt daran) unterstützend gemacht, oder die Belastungssituation wird immer schwieriger, zumal von einem echten Ausgleichsverhalten im Privatleben vieler Menschen auch wenig zu finden ist.

Im Spitzensport werden 40 Prozent der Trainingszeit für die Regeneration eingesetzt. Für den "Spitzensport" in Unternehmen wird das immer noch nicht als Notwendigkeit erkannt. Langes Sitzen ist lebensverkürzend, dazwischen öfter aufzustehen und herumzugehen ist nicht im Verhaltensrepertoire von Mensch und Organisation. Wirkliches Auseinandersetzen mit Gesundheit erfolgt meist erst nach deren Verlust, und dann soll die Medizin schnell und einfach reparieren.

Eine gute Pausenkultur wäre schon ein guter, einfacher und billiger erster Schritt, aber nicht in Form einer genormten Massenpause, sondern individuell von jedem Menschen dann gesetzt, wenn er oder sie spürt: "Jetzt werde ich müde". Der Rhythmus von Leisten und Erholen, Leisten und Ausgleichen wird für unsere Gesellschaft überlebensnotwendig. Die wenigen Unternehmen, die sich wenigstens darauf eingelassen haben, können den positiven Unterschied gut messen. (Johann Beran, DER STANDARD, 3.5.2014)