Der Präsident des österreichische Fanclubs OGAE Austria: Markus Tritremmel.

Foto: Markus Tritremmel (privat)

Ein wichtiger Bestandteil des Eurovision Song Contests sind dessen Fans. Sie machen die Stimmung vor Ort aus, verfolgen monatelang alle nationalen Vorausscheidungen, können sich stundenlang über Kostüme und Choreographien unterhalten und wissen meistens auswendig wer vierter der maltesischen Vorausscheidung 2005 wurde. Der größte Verband der Fanclubs ist seit 1984 die OGAE - Organisation Générale des Amateurs de l’Eurovision. Jedes europäische Land hat eine solche Organisation, es gibt aber auch eine "OGAE Rest of the World" mit Mitgliedern etwa aus Australien oder Südafrika.

Wie geht es dem Eurovision Song Contest im Jahr 2014? Der Grazer Markus Tritremmel (35) ist Präsident des österreichische Fanclubs OGAE Austria. Beruflich ist er Berater bei der Aids Hilfe Steiermark, in seiner Freizeit beschäftigt er sich am liebsten mit dem Eurovision Song Contest. Fan ist er seit Carolas Sieg für Schweden 1991. Seine zweite Leidenschaft ist Wencke Myhre. Beim Fanclub der norwegischen Schlagersängerin ist er Vizepräsident. So ist auch sein Lieblingsbeitrag aller Zeiten "Ein Hoch der Liebe" von Wencke Myhre, 1968 für Deutschland.

Wer ist deiner Meinung nach der größte Favorit beim Eurovision Song Contest 2014?

Markus Tritremmel: Es ist in diesem Jahr viel leichter zu sagen, wer nicht gewinnt. Die Frage, wer schlussendlich siegreich sein wird, ist 2014 fast unmöglich. Kaum ein Wettbüro ist sich wirklich einig, wer die Eurovisionskrone holen wird. Jedoch fällt auf, dass trotzdem immer wieder die gleichen 'Verdächtigen' im Spitzenfeld zu finden sind: Armenien, Schweden, Dänemark, Norwegen und Großbritannien. 

Ich würde mir ja einen Überraschungssieger wünschen, der erst mit der letzten eingehenden Wertung gekürt wird, denn ein sogenanntes Herzschlagfinale gab es seit 2003 nicht mehr. 

Wie würdest du den Stellenwert der österreichischen Beiträge seit 1957, dem zweiten Bewerb, bewerten?

Tritremmel: Die österreichischen Beiträge spielten - abgesehen von Udo Jürgens Sieg im Jahr 1966 mit Merci Chérie seit jeher eine untergeordnete Rolle. Waren es anfangs noch die französischen Chansons, die dominierten, so entwickelte sich im Laufe der Jahre die skandinavische Allianz zu einer der Erfolgreichsten, die wiederum ab den Neunziger Jahren von englischsprachigen Siegerliedern aus Irland und Großbritannien abgelöst wurden.

Somit zählt Österreich zusammen mit Portugal und Finnland sicherlich zu den wenig erfolgreichen Nationen. Erst ein Mal seit den Fünfziger Jahren konnte sich Österreich einen Platz am Siegertreppchen des Eurovision Song Contests erkämpfen. Wir warten übrigens am längsten auf eine Wiederholung des Sieges - ein einsamer Rekord in der Geschichte des Bewerbs.

Welche Chancen räumst du Conchita Wurst ein?

Tritremmel: Conchitas tatsächlicher Endrang ist schwer einzuschätzen, wobei ich aber glaube, dass die ganzen Diskussionen der letzten Monate, Russland mit seinem eingeschlagenen Diskriminierungsweg betreffend, ihr in die Hände spielen könnten.

Im Bewerb ist es wichtig auffällig zu sein, und das schafft eine Kunstfigur, so wie es Conchita nun eben ist, sicherlich mit Bravour. Nichts ist gefährlicher als im 'Einheitsbrei' der Künstler zu versinken. Und dabei ist die Tatsache, dass Conchita sehr polarisiert ebenfalls als positiv zu werten. Entweder man liebt für sie, oder eben nicht! Ihr kann es egal sein, sie wird es nicht persönlich nehmen.

Wenn du die Bewerbe der letzten Jahre Revue passieren lässt: Wie hat sich der Song Contest deiner Meinung nach entwickelt? In Österreich gilt er ja immer noch eher als ein nicht ernst zu nehmender "Sing-Sang-Wettbewerb", den man eher etwas schief ansieht, während er etwa in Skandinavien nach wie vor ein Straßenfeger ist, der alt bis jung begeistert und mit dem die Intellektuelle genau so mitfiebert, wie der Bauarbeiter.

Tritremmel: Auch hier gibt es eine einfache Grundregel: Je erfolgreicher eine Nation im internationalen Bewerb über Jahre hinweg abschneidet, umso größer ist das allgemeine Interesse, so wie auch die mediale Erwartung im eigenen Land. Vor allem in Skandinavien werden die jeweiligen Vorentscheidungen und der internationale Song Contest zelebriert, und man muss sagen, der Erfolg kommt nicht von irgendwo her. Hinter den vielen nordischen Siegen und Top-Platzierungen steckt harte Arbeit, Kreativität und natürlich auch beinhartes Kalkül. Ein Land, das nur mäßig erfolgreich ist, verliert sich dann oft und gern in Ausreden. 'Punkteschieberei', 'Ostblock-Allianzen' und 'Show Contest' sind geflügelte Worte. 

Die Türkei ist das zweite Jahr nicht dabei und gründete einen eigenen Wettbewerb mit türksprachigen Teilnehmern. Viele befürchten auch, dass Osteuropa rund um Russland sich demnächst abspalten könnte. Als Beispiel wird da gerne unsere Conchita genannt, und dass Osteuropa so etwas gar nicht ausstrahlen möchte. Teilst die diese Befürchtungen? Könnte sich der Song Contest bald wieder in Ost und West spalten?

Tritremmel: Ich persönlich würde diese Entwicklung sehr bedauerlich finden, glaube aber auch nicht wirklich, dass es so am Ende kommen wird. Zu viele Länder Osteuropas fühlen sich mittlerweile sehr wohl auch mit Westeuropa verbunden. Ich denke da etwa an die baltischen und kaukasischen Staaten, die immer mehr ein westliches Verhalten an den Tag legen. Es macht mir eher Sorgen, dass es sich einige Länder schlichtweg nicht mehr leisten können, beim Eurovision Song Contest aktiv teilzunehmen. Bezüglich der Türkei möchte ich nur eines sagen: Wenn man sich aus dem Bewerb mit der Begründung zurückzieht, dass man ein reines Televoting-Ergebnis erzwingen will und sich keinesfalls einer professionellen Jury, bestehend aus Musikjournalisten und dergleichen stellen will, dann sollte man vielleicht doch besser in sich gehen und die Sache überdenken.

Was zeichnet einen Eurovision-Song Contest-Fan aus?

Tritremmel: Gibt es eigentlich einen klassischen Song Contest-Fan? Vielleicht lassen sich gewisse Tendenzen finden, aber im Grunde genommen ist die Eurovision ein Hobby, das die unterschiedlichsten Menschentypen verbindet. Mir persönlich gefallen die zwei Minuten bevor die Live-Übertragung des großen Song Contest Finales beginnt. Im bunten Fahnenmeer, das man vor Ort miterlebt, kommt die Vielfalt und gleichzeitig die Einheit des europäischen Gedankens zu Tage, und man kann stolz sein, ein Teil davon zu sein. (Marco Schreuder, derStandard.at, 2.5.2014)